Geschichte des Westens
Macht aus, die Hilfe gewährte: der Sowjetunion. Diese trat in Spanien aber nicht nur nicht als revolutionäre Kraft auf; sie war vielmehr überzeugt, daß hier eine Revolution nicht stattfinden durfte. «Auf dem Schlachtfeld von Zentralspanien treffen heute die Komintern und dieFaschisten zu ihrer ersten Militärschlacht aufeinander; der Lauf der Geschichte hat die Spanier mit ins Geschehen gezogen, aber die Spanier sind nur Hilfstruppen.»
Zwei Jahre vor dem Ende des Bürgerkrieges gelangte Borkenau zu einem Verdikt, das das spanische Dilemma pointiert zum Ausdruck brachte: «Wie immer der bewaffnete Kampf enden wird, Spanien wird nicht als ein genuin europäisches Land aus ihm hervorgehen, sei es im faschistischen, im liberaldemokratischen oder im kommunistischen Sinn. Es wird bleiben, was es war: ein Land, dessen Entwicklung am Ende des 17. Jahrhunderts gestoppt wurde, das seitdem ein enormes Maß an Widerstand gegen ausländische Eindringlinge gezeigt hat, aber keinerlei Fähigkeit zur Erneuerung. Es mag am Ende ein Regime geben, das liberal-demokratisch oder faschistisch zu sein beansprucht, in Wirklichkeit aber wird es etwas sein, das grundsätzlich verschieden von dem ist, was damit in Europa bezeichnet wird.»[ 11 ]
Vorbild Deutschland:
Die Judenpolitik des faschistischen Italien
Für
ein
Land bedeutete die aktive Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg eine wirtschaftlich und finanziell kaum tragbare Belastung: Italien. Die Staatsausgaben waren 1936/37 mit 40,9 Millionen Lire fast doppelt so hoch wie 1934/35 (20,9 Millionen). Das Defizit im Staatshaushalt hatte sich in dieser Zeit fast verachtfacht (16,2 gegenüber 2,1 Millionen Lire). Die Lebenshaltungskosten stiegen 1937 infolge einer starken Abwertung der Lira im Jahr zuvor um 20 Prozent.
Das Engagement auf Seiten Francos trieb Mussolini in immer größere Abhängigkeit von Hitler. Das Deutsche Reich war längst der wichtigste Handelspartner Italiens, während der Handelsaustausch mit Großbritannien und Frankreich an Bedeutung verlor. Selbst die USA mußten sich Ende der dreißiger Jahre als Importeur mit dem zweiten Platz hinter Deutschland begnügen. Beim italienischen Import war die Reihenfolge dieselbe. 1935 bezog Italien bereits mehr als die Hälfte seiner Kohlelieferungen aus Deutschland. 1940 sollte das Reich auf diesem Feld zum faktischen Monopolisten aufsteigen.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit fand ihr Gegenstück in einer ideologischen Annäherung. Sie lag angesichts der vielen Berührungspunktezwischen italienischem Faschismus und deutschem Nationalsozialismus gewissermaßen in der Natur der Sache, war aber bis zum Vorabend des Abessinienkrieges durch außenpolitische Gegensätze behindert worden. Der Spanische Bürgerkrieg führte dann Berlin und Rom enger denn je zusammen. In diese Zeit fällt auch die allmähliche Angleichung auf einem Gebiet, auf dem sich italienische Faschisten und deutsche Nationalsozialisten bislang deutlich unterschieden hatten: der Rassenideologie und hier besonders des Antisemitismus. Dabei war es nicht so, daß Deutschland Italien zur Nachahmung genötigt hätte. Vielmehr kam alles, was das faschistische Italien gegen die Juden unternahm, aus eigenem Antrieb.
Innerhalb der faschistischen Partei gab es eine radikal antisemitische Strömung um den Generalsekretär der Jahre 1925/26, Roberto Farinacci, die schon seit den zwanziger Jahren gegen die Juden hetzte. Die Tatsache, daß Juden in antifaschistischen Exil- und Widerstandsgruppen eine aktive Rolle spielten (so waren etwa die 1937 in Frankreich ermordeten Brüder Nello und Carlo Rosselli Juden), führte 1934 zu einer ersten «offiziösen» antisemitischen Kampagne. Mussolini war nie frei von antijüdischen Vorurteilen gewesen, hatte aber keine Bedenken gehabt, Juden in der faschistischen Bewegung zu fördern und mit Regierungsämtern zu betrauen. Erst seit Ende der zwanziger Jahre verhärtete sich seine Haltung. In der Folgezeit witterte er hinter allem, was sich gegen sein Regime richtete, jüdische Machenschaften – vor allem, wenn es aus den westlichen Demokratien und dem Völkerbund kam.
Eine antisemitische Massenstimmung zu erzeugen aber war in Italien schon deshalb schwer, weil im ganzen Land in den zwanziger Jahren nur etwa 48.000 Juden (ebrei) mosaischer Religion lebten, unter ihnen 8500 Juden, die nicht aus Italien stammten. 1931 lag die Gesamtzahl der Juden bei etwa 50.000. Zusammen machten die Juden ganze 1,1 Promille der italienischen
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