Geschichte des Westens
würde.
Die britisch-französische Appeasement-Politik, die am 30. September 1938 im Münchner Abkommen gipfelte, zerstörte dieses Kalkül. Sie hatte aber auch Auswirkungen auf den wichtigsten Verbündeten der Republik: die Sowjetunion. Stalin hielt fortan ein Bündnis mit Großbritannien und Frankreich gegen Hitler kaum noch für erreichbar. Ob er zu diesem Zeitpunkt bereits an ein Zusammengehen mit dem Erzfeind in Berlin dachte, muß offen bleiben. Jedenfalls wollte er das immer riskanter gewordene Engagement in Spanien massiv reduzieren. Die Internationalen Brigaden hatten aus seiner Sicht ihre Aufgabe erfüllt: In den meisten überwogen die Spanier die Ausländer bei weitem; es gab inzwischen genügend ausgebildete Flieger; der Abzug der ausländischen Freiwilligen würde also leicht zu verschmerzen sein – eine Position, die Negrín teilte. Am 1. Oktober übernahm der Völkerbund auf Vorschlag der spanischen Republik die Aufgabe, den Abzug aller Freiwilligen aus Spanien zu überwachen. Am 15. November hielten die Internationalen Brigaden ihre Abschiedsparade in Barcelona ab. Tags darauf endete die Schlacht am Ebro – mit dem Rückzug der Republikaner auf das Gebiet links des Flusses.
Im Dezember 1938 begann die letzte Phase des Bürgerkrieges. DieNationalisten drangen in Katalonien vor, am 26. Januar 1939 fiel, nahezu kampflos, Barcelona. Staatspräsident Azaña begab sich am 7. Februar zusammen mit der Regierung Negrín nach Frankreich. Zwei Tage später endete der Widerstand in Katalonien. Ministerpräsident Negrín kehrte am 10. Februar nach Spanien zurück und begab sich am 24. Februar nach Madrid. Am 28. Februar erklärte Azaña seinen Rücktritt vom Amt des Staatspräsidenten, nachdem Großbritannien und Frankreich tags zuvor die Regierung Franco diplomatisch anerkannt hatten.
Der unbedingte Wille Negríns, den aussichtslos gewordenen Kampf fortzusetzen, löste einen Putsch aus: In Madrid übernahm am 5. März eine Junta unter dem bislang republikloyalen General Sigismondo Casado und dem gemäßigten Sozialisten Julián Besteiro, dem bisherigen Botschafter in London, die Regierungsgeschäfte und übermittelte der Regierung Franco in Burgos das Angebot eines Verständigungsfriedens. Ein kommunistischer Divisionskommandeur begann daraufhin mit einem Marsch auf Madrid, dem die Armeekommandeure aber ihre Unterstützung versagten. Negrín floh tags darauf erneut aus Spanien, und diesmal endgültig; mit ihm und den Mitgliedern seiner Regierung verließen auch die führenden Kommunisten das Land. Am 7. März begann in Madrid ein viertägiger Bürgerkrieg im Bürgerkrieg, nachdem sich ein kommunistischer Armeekommandeur von Casado abgewandt und zum Widerstand gegen die Junta aufgerufen hatte. Casado konnte seine Position behaupten, die Verhandlungen mit der Regierung Franco, die über Vertreter von dessen «Fünfter Kolonne» in Madrid geführt wurden, zeitigten aber kein Ergebnis, das der Junta annehmbar erschien. Die Truppen der Nationalisten rückten inzwischen weiter vor. Am 28. März, einen Tag nachdem die Regierung in Burgos den Beitritt Spaniens zum Antikominternpakt erklärt hatte, besetzten sie Madrid. Am 31. März fiel Alicante, das zuvor zu Casado übergegangen war. Am 1. April 1939 war der Bürgerkrieg zu Ende.
Die Zahl der Menschen, die während der Kampfhandlungen und durch den Terror beider Seiten starben, ist zwischen den Fachleuten umstritten. Die Schätzungen schwanken zwischen 270.000 und 500.000. Was die im Bürgerkrieg Gefallenen betrifft, so werden Zahlen zwischen 100.000 und 300.000 genannt. Das Ende des Bürgerkrieges bedeutete noch längst nicht das Ende des Schreckens. Gonzalo de Aguilera, der Presseoffizier Francos, kündigte 1939 gegenüber einem amerikanischenJournalisten, dem Korrespondenten von Associated Press, Charles Foltz, an: «Unser Programm ist die Tötung eines Drittels der männlichen Bevölkerung. Damit wird das Land sauber werden.»
Die Absicht, die dieser Äußerung zugrunde lag, hatte tiefe historische Wurzeln: Aguilera orientierte sich an dem Ideal der «limpieza de sangre», der Reinheit des Blutes, von dem sich die Verfolger der «conversos», der zum Christentum bekehrten Juden, im späten 15. und im 16. Jahrhundert hatten leiten lassen. Die Säuberung der spanischen Gesellschaft von denen, die «falsch», nämlich auf irgendeine Weise links, dachten, erschien Männern wie dem zitierten Mitarbeiter Francos als historische Aufgabe.
Im vollen
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