Geschichte des Westens
Umfang wurde das Projekt nicht verwirklicht. Aber die Massenerschießungen, die überall stattfanden, wo die Nationalisten die Republikaner vertrieben hatten, nahmen gewaltige Ausmaße an. Nach britischen Schätzungen wurden in den ersten fünf Monaten nach Kriegsende mindestens 10.000 Todesurteile vollstreckt. Die bloße Mitgliedschaft in einer linken Organisation reichte oft aus, um denunziert, angeklagt, verurteilt und hingerichtet zu werden. Die Gesamtzahl der Opfer des nationalistischen Terrors in den Jahren von 1936 bis 1950 soll nach neueren Forschungen bei 150.000 liegen. Die Zahl läge mit Sicherheit sehr viel höher, wäre es nicht 441.000 Spaniern gelungen, bis April 1939 die Pyrenäengrenze nach Frankreich zu überqueren. Da viele von ihnen nach Spanien zurückkehrten (was auch an den anfangs katastrophalen Zuständen in den ersten improvisierten Auffanglagern lag), war die Zahl der dauerhaft Emigrierten deutlich niedriger: Sie soll zwischen 160.000 und 300.000 gelegen haben.
Von den Flüchtlingen, die im Ausland, meist in Frankreich und auch in Mexiko, blieben, beteiligten sich viele während des Zweiten Weltkrieges auf alliierter Seite an den Kämpfen oder wurden in der französischen Résistance aktiv. Rund 15.000 wurden nach der deutschen Besetzung Frankreichs in Konzentrationslager verschleppt, was etwa die Hälfte nicht überlebte. Largo Caballero, einer dieser Häftlinge, starb 1946, im Jahr nach seiner Befreiung, in Paris. Andere ehemals prominente Politiker, unter ihnen Lluis Companys, der frühere Präsident der katalanischen Generalitat, und der ehemalige sozialistische Innenminister Julián Zugazagoitia, wurden von den Deutschen an Spanien ausgeliefert und dort hingerichtet. Negrín erhielt in Großbritannien Asyl.
Von den kommunistischen Spanienkämpfern aus Ostmitteleuropa und der Sowjetunion wurden viele Opfer der stalinistischen Säuberungen: Kléber wohl schon 1939, andere nach dem Budapester Schauprozeß gegen László Rajk im Jahre 1949, der mit der Hinrichtung des Angeklagten endete. Liquidiert wurden auch Marcel Rosenberg, der Sowjetbotschafter in der Regierungszeit von Largo Caballero, der Koordinator der Verteidigung von Madrid, General Bersin, und der Spanienkorrespondent der «Prawda», Michail Kolzow, der auch als politischer Berater und militärischer Organisator tätig gewesen war. Der spanische Milizführer «El Campesino» konnte zweimal aus der Sowjetunion fliehen, das zweite Mal aus dem Straflager Workuta. Das Exil überlebten die «Pasionaria», Enrique Líster und Santiago Carillo, der als Generalsekretär der spanischen Kommunisten nach Francos Tod im Jahr 1975 eine bedeutende Rolle spielte und zu den Pionieren des Eurokommunismus gehörte.
Manche der bekanntesten spanischen Künstler und Intellektuellen blieben dauerhaft im Exil, so der Maler Pablo Picasso, der freilich schon seit 1906 in Paris lebte, der Filmregisseur Luis Buñuel und der Historiker Salvador de Madariaga. Der Philosoph José Ortega y Gasset, der Spanien bereits 1936 verlassen hatte, kehrte 1946 in seine Heimat zurück. Der Dichter Antonio Machado starb kurz nach seiner Emigration im Juli 1939 im französischen Collioure nahe der spanischen Grenze.
Von den Anhängern der Republik, die Spanien nicht hatten verlassen können oder wollen, wurden rund 270.000 zu Gefängnisstrafen verurteilt und weit über 100.000, angeblich zum Zweck der Umerziehung, in Arbeitslager oder «Arbeitsbataillone» eingewiesen. Sie mußten beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete, im Straßenbau, im Bergbau oder unter besonders unmenschlichen, weil extrem gesundheitsschädlichen Bedingungen in den Quecksilberminen von Almadín Zwangsarbeit verrichten. Freilassung aus der Haft oder dem Arbeitslager hieß keineswegs Rückkehr in die Normalität, sondern häufig Verbannung aus dem Heimatort oder tägliche Meldung bei der Polizei. Vom öffentlichen Dienst blieben die Republikaner faktisch ausgeschlossen. Nach einem Dekret vom August 1939 waren 80 Prozent aller frei werdenden Stellen Personen vorbehalten, die auf der Seite der Nationalisten gekämpft hatten oder unter den Volksfrontregierungen verfolgt worden waren. Viele Anhänger der Republik wurden zu Geldstrafenverurteilt oder völlig enteignet; «roten» Eltern sprachen die Behörden Francos oft das Recht ab, ihre Kinder zu erziehen. 1942 wurden etwa 9000 Kinder gezählt, die unter staatlicher Obhut aufwuchsen.
Die gesellschaftlichen Neuerungen der republikanischen
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