Geschichte des Westens
Deutschland bereit war, Großbritannien als europäische Mächte von Rang behaupten können. So etwa sah Hitlers Vision einer Neuordnung Europas westlich der russischen Grenze zum Zeitpunkt seiner bislang größten kriegerischen Triumphe aus.[ 3 ]
Tokio, Washington, Berlin:
Der weltpolitische Szenenwechsel 1940/41
Deutschlands Triumph im Westfeldzug hatte auch Auswirkungen im Fernen Osten. Japan war bei der Entfesselung des europäischen Krieges im September 1939 neutral geblieben, änderte seine Politik aber unter dem Eindruck der Niederlagen erst der Niederlande, dann Frankreichs: Die Chance, Niederländisch-Indien und Französisch-Indochina zu erobern, schien plötzlich in greifbare Nähe gerückt, in naher Zukunft vielleicht auch die Inbesitznahme von Britisch-Malaysia und Singapur. Im Jahr 1940 erzwang die Armee den Rücktritt der Regierung von Admiral Yonai, der als allzu vorsichtig galt, und die Rückkehr des Premierministers von 1937/38, Fürst Konoe, an die Macht. Neben Konoe waren auch Heeresminister Tojo und Außenminister Matsuoka politische Favoriten des Heeres.
Unter der neuen Regierung näherte sich Japan wieder Deutschland an, das Tokio durch den Abschluß des Nichtangriffspaktes mit der Sowjetunion nachhaltig verprellt hatte. Unter dem propagandistischen Begriff der «Großasiatischen Wohlstandssphäre» strebte Japan nunmehr die Herrschaft über ganz Ost- und Südostasien an. Auf eine Expansion in südlicher Richtung hatte seit langem die Flotte gedrängt. Im Sommer 1940 schwenkte auch das Heer, das seine Ambitionen traditionell eher auf Rußland ausgerichtet hatte, auf diese Linie ein: «Nordverteidigung» und «Südvormarsch» lautete fortan die Devise.
Hitler verhielt sich gegenüber den Signalen aus Tokio zunächst reserviert. Erst nachdem er im August 1940 zu der Einsicht gelangt war, daß ein schneller Sieg über Großbritannien dank massiver amerikanischer Hilfestellung nicht zu erwarten war, stimmte er deutsch-japanischen Sondierungen zu. Sein Ziel war eine Militärallianz gegen die Vereinigten Staaten als Preis für die deutsche Bereitschaft, Ost- und Südostasien als Interessensphäre Japans anzuerkennen. Die japanische Marine zögerte, darauf einzugehen, da sie sich für einen Krieg mit den USA noch nicht hinreichend gewappnet fühlte, beugte sich dann aber dem Heer, das einen Vertragsabschluß mit den Achsenmächten Deutschland und Italien forderte. Am 27. September 1940 unterzeichnete Außenminister Matsuoka in Berlin den Dreimächtepakt, ein auf den Fall eines amerikanischen Angriffs ausgerichtetes und auf zehn Jahre befristetes Verteidigungsbündnis auf Gegenseitigkeit. Deutschland versprach Japan Unterstützung beim Bemühen um einen Ausgleich mit der Sowjetunion und war sogar bereit, Moskau für den Fall eines Beitritts zum Dreimächtepakt Iran und Indien als Interessensphäre zu überlassen.
Die neuerliche Annäherung an die Achsenmächte ging mit einer innenpolitischen Neuausrichtung Japans einher. Kurz nach dem Abschluß des Dreimächtepaktes wurden die politischen Parteien aufgelöst und wenig später, am 12. Oktober 1940, die Gesellschaft zur Unterstützung der Kaiserlichen Herrschaft (Taisei yokusankei) gegründet. Sie sollte sowohl die Funktionen einer Einheitspartei erfüllen als auch die Dachorganisation sämtlicher Berufs- und Kulturvereinigungen bilden; ihr Vorsitzender war der jeweilige Premierminister. Eine schlagkräftige, der NSDAP oder dem Partito Nazionale Fascista vergleichbare Organisation wurde aus der neuen Gesellschaft jedoch nicht; dazu gingen die Meinungen der politischen und militärischen Führungüber ihren Zweck zu weit auseinander. Die Zusammensetzung des Parlaments blieb, wie sie war; der autoritäre Charakter des Regimes verschärfte sich, eine totalitäre Diktatur nach deutschem oder italienischem Vorbild aber wurde das Kaiserreich im Fernen Osten nicht.
Ob Tokio mit dem Dreimächtepakt seinen potentiell gefährlichsten Gegner, die USA, würde beeindrucken können, war höchst fraglich. Einen Tag vor Abschluß des Vertrags, am 26. Februar 1940, hatten die Vereinigten Staaten ein totales Embargo für Stahl und Schrott verhängt, das Japan empfindlichen Schaden zufügte. Es war die Antwort auf einen von Berlin und, wenn auch unfreiwillig, von Vichy gebilligten aggressiven Schritt des Kaiserreiches: die Besetzung von Französisch-Indochina, die es Japan erlaubte, das China Tschiang Kai-scheks von wichtigen Versorgungslinien abzuschneiden.
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