Geschichte des Westens
Ungeachtet des neuen «Dreiecks Berlin-Rom-Tokio» wurde das amerikanische Embargo in der Folgezeit konsequent durchgehalten und die Hilfe aus den USA für China verstärkt.
Auch die Sowjetunion reagierte auf den Berliner Vertragsabschluß nicht so, wie Tokio es erwartet hatte: Sie traf keinerlei Anstalten, dem Abkommen beizutreten. Alles, was Außenminister Matsuoka im April 1941 in Moskau, der letzten Station einer ausgedehnten Europareise, erreichen konnte, war ein Neutralitätsvertrag, nicht der erstrebte Nichtangriffspakt. Daß Deutschland inzwischen seine Haltung gegenüber der Sowjetunion radikal geändert hatte, blieb der japanischen Regierung verborgen. Gleichzeitig erhöhten die USA den Druck auf Japan, und das nicht ohne Erfolg. Während sich der scharf antiamerikanische Außenminister in Europa aufhielt, nahm das Kabinett Konoe hinter seinem Rücken Sondierungsgespräche mit Washington auf, in denen die Möglichkeiten eines Ausgleichs zwischen beiden Mächten ausgelotet wurden.[ 4 ]
Die USA hatten zu Beginn des europäischen Krieges ihre Neutralität erklärt, aber schon am 4. November 1939 dieses Prinzip zugunsten der Alliierten relativiert: Ein neues Neutralitätsgesetz erlaubte es kriegführenden Staaten, unter Ausweitung der «cash-and-carry»-Klausel von 1937 Güter aller Art, also auch Waffen und Munition, in den Vereinigten Staaten zu kaufen und auf eigenen Schiffen abzutransportieren.
Am 16. Mai 1940, sechs Tage nach Beginn des deutschen Westfeldzugs, ersuchte Präsident Roosevelt den Kongreß um die außerordentlicheBewilligung von Mitteln in Höhe von mehr als 1 Milliarde Dollar für die Mechanisierung und Motorisierung der Armee sowie für die Serienproduktion von 50.000 Flugzeugen. Er erhielt dafür die Zustimmung von Senat und Repräsentantenhaus. Gleichzeitig erhöhte der Kongreß die Obergrenze der Nationalschuld auf 49 Milliarden Dollar. Drei Monate später, am 19. Juli 1940, unterzeichnete Roosevelt den Two Ocean Navy Expansion Act, der den Bau einer im Atlantik und im Pazifik einsetzbaren Großflotte bis 1945 vorsah.
Um diese Zeit war die amerikanische Öffentlichkeit in der Frage, wie die USA auf die aggressive Politik der totalitären beziehungsweise autoritären Regime in Berlin, Rom und Tokio reagieren sollten, noch tief gespalten. Im Mai 1940 gründeten überzeugte Internationalisten um den Publizisten William Allen White unter dem Eindruck des deutschen Westfeldzuges das Committee to Defend America by Aiding the Allies, das genau das wollte, was der Name besagte: eine massive Unterstützung der europäischen Demokratien, obenan Großbritannien, um einen Kriegseintritt Amerikas überflüssig zu machen. Zu den Unterstützern gehörten vor allem Intellektuelle der Ostküste, darunter «Yankees», die sich England verbunden fühlten, und Amerikaner jüdischer Herkunft.
Sehr viel mehr Aufsehen erregte im Juli eine isolationistische Gegengründung, das von dem Industriellen Robert Wood ins Leben gerufene America First Committee. Zu seinem Starredner avancierte bald Charles A. Lindbergh, der weltberühmte erste Überflieger des Atlantiks. Die Förderer und Anhänger waren häufig Geschäftsleute des Mittleren Westens, namentlich aus Chicago und Umgebung, Amerikaner mit irischen und deutschen Wurzeln, die meisten von ihnen Anhänger der Republikaner. Allerdings gab es auch in der «Grand Old Party» entschiedene Internationalisten, ja Interventionisten. Zwei von ihnen nahm Roosevelt im Juni 1940 demonstrativ in sein Kabinett auf: den Kriegsminister der Präsidenten Taft und Hoover, Henry L. Stimson, der erneut in dieses Amt berufen wurde, und William Franklin Knox als Marineminister.
In der amerikanischen Bevölkerung wuchs im Sommer 1940 die Einsicht um die Gefahren, die dem Land von außen drohten. Im Mai lehnten noch 40 Prozent repräsentativ Befragte Amerikaner eine Kriegsteilnahme ihres Landes unter allen Umständen ab; im Juli glaubten laut einer Umfrage bereits zwei Drittel (66 Prozent) aller Befragten,daß Deutschland eine direkte Gefahr für Amerika bilde. Im gleichen Monat wurde die Administration auf der panamerikanischen Außenministerkonferenz in Havanna mit der Tatsache konfrontiert, daß Hitlers Einschüchterungspolitik auch in Lateinamerika Wirkungen zeitigte: Aus Rücksicht auf den Handelspartner Deutschland weigerten sich unter anderem Argentinien, Brasilien und Chile, ihre Minister nach Kuba zu schicken. Dem State Departement gelang es dennoch, bis
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