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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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wenige der deutschen Nationalsozialisten. Schon kurz nach der Niederwerfung durch die Wehrmacht hatten sich im Generalgouvernement die ersten Widerstandsgruppen gebildet, darunter der um die Jahreswende 1939/40 gegründete, von der Exilregierung unter General Sikorski in London anerkannte Verband für den Bewaffneten Kampf (ZWZ), der sich 1942 in «Heimatarmee» (Armia Krajowa) umbenannte. Auf sein Konto gingen zahlreiche Exekutionen von Kollaborateuren und Denunzianten, Attentate auf besonders verhaßte Vertreter des Besatzungsregimes, Angriffe auf Bahnverbindungen, Gefängnisse, Polizeireviere und Gefangenentransporte. 1943/44 soll die Heimatarmee 300.000 bis 350.000 Mitglieder gezählt haben, von denen freilich nur etwa 20.000 als bewaffnete Partisanen kämpften. Verglichen mit ihr wirkte die sehr viel kleinere, im Januar 1944 ins Leben gerufene kommunistische Volksarmee (Armia Ludowa), der militärische Arm der Anfang 1942 von Beauftragten der Komintern gegründeten Polnischen Arbeiterpartei (PPR), fast als Randerscheinung.
    Gegen die Deutschen kämpften bewaffnete Polen aber nicht nur inder Heimat, sondern auch an mehreren Fronten des Krieges. 1944 standen jeweils etwa 80.000 Mann auf der Seite der westlichen Verbündeten und auf der Seite der Roten Armee. Eine über 70.000 Mann starke Truppe aus zuvor Kriegsgefangenen und internierten Polen unter dem Befehl von General Wladyslaw Anders, die sogenannte «Anders-Armee», hatte Stalin zwischen März und August 1942 auf Drängen Churchills über Zentralasien in den Iran «evakuieren» lassen, von wo aus sie unter britischem Oberbefehl zum Einsatz erst im Irak und in Palästina, dann nach Nordafrika und Italien gebracht wurde. Das gespannte Verhältnis zwischen der Sowjetunion und der polnischen Exilregierung besserte sich dadurch aber kaum, da Moskau keine Auskunft über den Verbleib von über 10.000 vermißten polnischen Offizieren gab. Nachdem die Wehrmacht im Frühjahr 1943 die vergrabenen Leichen der Ermordeten bei Katyn gefunden hatte, ersuchte die Exilregierung das Internationale Rote Kreuz um eine Untersuchung des Vorgangs – ein Schritt, den Molotow am 25. April mit der «Unterbrechung» der diplomatischen Beziehungen mit der Regierung Sikorski beantwortete.
    Der bewaffnete Kampf war nur ein Teil des polnischen Widerstands. Dem allgegenwärtigen Terror der Besatzungsmacht zum Trotz bauten polnische Intellektuelle, in Anknüpfung an eine im russischen «Kongreßpolen» des 19. Jahrhunderts entwickelte Tradition, eine Untergrunduniversität und Untergrundgymnasien auf – Teile eines von der Zivilgesellschaft getragenen «Untergrundstaates», der mit eingeschleusten Geldern aus Großbritannien finanziert und von einer in zwölf Departements gegliederten «Delegatura» koordiniert wurde. Wäre der Widerstand nicht von langer Hand vorbereitet und im Generalgouvernement nahezu flächendeckend organisiert worden, hätte die Elite seiner Aktivisten niemals zu jenem Schlag gegen die Unterdrücker ausholen können, von dem an anderer Stelle noch zu reden sein wird: dem Warschauer Aufstand, der am 1. August 1944 begann und entgegen der Erwartung seiner Urheber ganze neun Wochen dauern sollte.
    Ein erheblicher Teil der polnischen Zivilbevölkerung, insgesamt 1,3 Millionen, erlebte die deutsche Besatzungszeit nicht in Polen, sondern im «Altreich». Schon im Oktober 1939 hatte Generalgouverneur Frank in seinem Herrschaftsbereich die Arbeitspflicht für die polnische Bevölkerung zwischen dem 14. und dem 60. Lebensjahr eingeführt. 1940 begann der Arbeitseinsatz von Polen in Deutschland,wobei schon bald die zwangsrekrutierten die angeworbenen Arbeitskräfte überwogen. Besonders groß war der Bedarf in der Landwirtschaft, wo polnische und andere Fremdarbeiter, ungeachtet aller amtlichen Gebote und Verbote, im allgemeinen besser behandelt wurden als in der Industrie. Polen, die im Reich arbeiteten, war auf Grund besonderer «Polenerlasse» die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Haltung von Fahrrädern, der Besuch von deutschen Gottesdiensten, von Kinos und Theatern untersagt; sie erhielten grundsätzlich geringere Lebensmittelrationen als Westarbeiter; die Übertretung des Verbots von Geschlechtsverkehr mit Deutschen wurde mit dem Tod durch öffentliches Erhängen in Gegenwart der versammelten Landsleute bestraft. Seit Mitte 1943 erfolgte in solchen Fällen meist die Überweisung in ein Konzentrationslager – eine Strafe, mit der auch deutsche Frauen

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