Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
beiden Reichskommissaren, die Hitler mit der Verwaltung des Ostraumes beauftragt hatte: dem schleswig-holsteinischen Gauleiter Hinrich Lohse für die baltischen Staaten und Weißrußland («Weißruthenien»), die zum Reichskommissariat Ostland zusammengeschlossen worden waren, und dem ostpreußischen Gauleiter Erich Koch, dem das Reichskommissariat Ukraine unterstellt war. Koch sah in der getreide- und rohstoffreichen Ukraine ein Territorium, das zu 80 Prozent für den Bedarf des Großdeutschen Reiches zu produzieren und ihm Arbeitskräfte zu liefern hatte. Die führenden ukrainischen Nationalisten der OUN (Orhanizacija Ukrajins’kych Nacionalistiv) um Stepan Bandera, dieam 30. Juni 1941 einen souveränen Staat proklamiert hatten, wurden wenige Tage später verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Der aus einer deutschbaltischen Familie stammende Alfred Rosenberg, der seit Juli 1941 an der Spitze des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete stand, hielt die schroffe Zurückweisung der nationalistischen und antibolschewistischen Kräfte, die vor allem in der Ukraine viele Anhänger hatten, durch Koch für einen schweren Fehler, konnte sich aber, wovon bereits die Rede war, mit seinen Gegenvorstellungen bei Hitler nicht durchsetzen. Nicht einmal den baltischen Völkern, die dem westlichen Kulturkreis zugerechnet wurden, vermochte Rosenberg irgendetwas in Aussicht zu stellen, was nationaler Unabhängigkeit nahekam.
    Der «Führer» reagierte auch ablehnend, als der sowjetische General Andrei A. Wlassow, der im Juli 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war, sich bereit erklärte, aus sowjetischen Kriegsgefangenen und Überläufern eine Armee zu bilden, die an der Seite der Wehrmacht für die Befreiung Rußlands von der Herrschaft Stalins kämpfen sollte. Im Dezember 1942 konnte Wlassow immerhin das «Smolensker Komitee» ins Leben rufen, das «Hilfswillige» sammelte, die sich verpflichteten, im Rahmen deutscher Einheiten den sowjetischen Streitkräften entgegenzutreten. Mindestens eine halbe Million ehemaliger Rotarmisten folgten diesem Aufruf – viele wohl weniger aus antibolschewistischen Motiven heraus als vielmehr aus Angst, andernfalls in deutscher Kriegsgefangenschaft zu verhungern oder vom NKWD erschossen zu werden.
    Erst im September 1944, als die Rote Armee den Reichsgrenzen bereits gefährlich nahegerückt war, stimmte Hitler der Bildung der «Russischen Befreiungsarmee», kurz «Wlassow-Armee» genannt, zu. Sie bestand aus Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Emigranten, zählte zeitweilig etwa 100.000 Mann und wurde gegen Kriegsende unter anderem an der Ostfront in Böhmen und Mähren eingesetzt. (Die Amerikaner, denen sich Wlassow ergab, lieferten ihn und seine Armee vereinbarungsgemäß an die Sowjetunion aus, die Wlassow und neun seiner Generäle im August 1946 hinrichten ließ. Die Soldaten der Wlassow-Armee wurden in Zwangsarbeitslager oder, beim Vorliegen mildernder Umstände, auf sechs Jahre in die Verbannung geschickt.)
    Zu den deutschen Förderern Wlassows gehörte seit Anfang 1944 auch Heinrich Himmler, der sich über seine Vorstellungen von germanischerRassereinheit immer dann hinwegsetzte, wenn er es um des «Endsieges» willen für zweckmäßig hielt. Die zuletzt 38 Divisionen der Waffen-SS umfaßten nicht nur dänische, norwegische, holländische und flämische, also «germanische» Einheiten, sondern bald auch wallonische und französische und schließlich, in der Spätphase des Krieges, lettische, estnische, weißrussische, russische, polnische, bosnische, kosakische, usbekische, indische und arabische Verbände. Zu den im Frühjahr 1944 gebildeten russischen Einheiten gehörte auch das XV. Kosaken-Kavalleriekorps, das Anfang 1945 in die «Russische Befreiungsarmee» aufgenommen wurde. Das erstrebte Großgermanische Reich deutscher Nation mit germanischen Kräften allein zu errichten hatte sich als unmöglich erwiesen. Doch seit 1943 hatten die germanischen Sammlungsparolen ohnehin ausgedient. Eine werbende Wirkung versprach sich die deutsche Führung zuletzt nur noch von dem Versprechen, Europa und damit die Welt vor dem Bolschewismus zu retten.
    Was für die Ukrainer galt, traf erst recht für die Polen zu: Sie durften nicht darauf hoffen, von den Deutschen milder behandelt zu werden, wenn sie ihnen Beistand gegen die Sowjetunion anboten. Tatsächlich gab es in Polen zwar einige Parteigänger der russischen Kommunisten, aber nur sehr

Weitere Kostenlose Bücher