Geschichte des Westens
und Mädchen bedroht waren, die sich mit Polen «einließen». Entsprechende Strafen für Männer, die mit Polinnen sexuell verkehrten, waren nicht vorgesehen.
Verglichen mit den Polen wurden die Tschechen im Protektorat Böhmen und Mähren «milde» behandelt. Politisch wurde die einheimische Bevölkerung vollständig entrechtet; eine kollaborierende Einheitspartei, die «Nationale Union» (Národní shromázddní), trat an die Stelle der bisherigen politischen Parteien. Für Außenpolitik und Verteidigung war die Besatzungsmacht zuständig. Alle im Bereich der inneren Politik zuständigen Behörden unterlagen der strikten Aufsicht der deutschen Protektoratsverwaltung. Kommunisten, «linke» bürgerliche Intellektuelle und deutsche Emigranten, die in die Tschechoslowakei geflüchtet waren und das Land nicht rechtzeitig vor der deutschen Besetzung hatten verlassen können, wurden in Konzentrationslager, die Juden seit Herbst 1941 teils direkt in Richtung Osten, teils zuerst in das auf dem Boden des Protektorats errichtete Konzentrationslager Theresienstadt, dann, seit 1942, in die Vernichtungslager in Polen deportiert.
Auf Streiks und Demonstrationen anläßlich des Unabhängigkeitstages am 28. Oktober 1943 reagierten die Okkupanten mit harter Hand: Ein Arbeiter wurde erschossen, ein Student so schwer verletzt, daß er kurz darauf starb. Hitler nahm die Demonstrationen zum Anlaß, alle tschechischen Hochschulen und Universitäten für die Dauer von drei Jahren zu schließen. Mit Ausnahme der Mediziner wurdenalle Professoren in den Wartestand versetzt, die Studenten zum Arbeitseinsatz geschickt. Dem tschechischen Ministerpräsidenten Alois Eliáš wurde im September 1941 der Vorwurf geheimer Verbindungen zur Exilregierung unter Edvard Beneš in London zum Verhängnis: Er wurde verhaftet, in einem Schauprozeß zum Tode verurteilt und im Juni 1942 erschossen.
Wer mit den Deutschen zusammenarbeitete, hatte im allgemeinen nichts zu befürchten. Die tschechische Industrie wurde in die Kriegswirtschaft des Reiches eingebunden und faktisch von deutschen Konzernen gelenkt. Zahlreiche kleinere, mittlere und größere Unternehmer profitierten von der «Arisierung» des jüdischen Eigentums; die Arbeiter zogen Nutzen aus der kriegsbedingten Vollbeschäftigung. Der erste Reichsprotektor, der frühere Reichsaußenminister Konstantin von Neurath, wurde im September, offiziell krankheitshalber, beurlaubt und faktisch durch seinen neu ernannten Stellvertreter, den Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, entmachtet, der mit ungleich größerer Brutalität gegen die einheimische Bevölkerung vorging.
Zu einer tiefen Zäsur in der Geschichte des Protektorats wurde der 27. Mai 1942 – der Tag, an dem freiwillige Fallschirmjäger aus dem tschechoslowakischen Exil, die über dem Protektorat abgesprungen waren, ein Attentat auf Heydrich verübten, an dessen Folgen der stellvertretende Reichsprotektor am 4. Juni 1942 starb. Im Verlauf der nun einsetzenden Terrorwelle wurden etwa 10.000 Tschechen festgenommen und über 1000 ohne Gerichtsurteil erschossen. Der Abschreckung der Bevölkerung dienten vor allem die Massaker von Lidice und Lezáky am 10. und 24. Juni 1942: Die Orte wurden zerstört, die erwachsenen Männer erschossen, die Frauen und Kinder in Konzentrationslager eingeliefert. Die Stelle Heydrichs übernahm der Polizeigeneral Kurt Daluege. Im August 1943 wurde der bisherige (in dieser Funktion durch Himmler ersetzte) Reichsinnenminister Wilhelm Frick zum Reichsprotektor ernannt. Zu größeren Sabotageakten und Anschlägen kam es bis 1945 nicht mehr. Der Terror von SS und Polizei sorgte dafür, daß das Protektorat Böhmen und Mähren fortan im Sinn der Besatzungsmacht «funktionierte».
Kollaboration und Widerstand gab es auch im besetzten Serbien. Zu den Kollaborateuren gehörte zumindest äußerlich der Chef der von derBesatzungsmacht eingesetzten Belgrader Regierung, General Milan Nedic. Gleichzeitig arbeitete er verdeckt auch mit den Tschetniks (Cetnici), dem nationalistischen Flügel der serbischen Widerstandsbewegung, zusammen, der im Zeichen seines militanten Großserbentums mit äußerster Brutalität gegen die kroatischen Ustaschi, die montenegrinischen und albanischen Separatisten und die bosnischen Muslime vorging, sich der deutschen Besatzungsmacht gegenüber aber eher defensiv verhielt und von den Italienern zeitweilig sogar protegiert wurde. Gegenüber König Peter II. und der
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