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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Militärbefehlshaber in Dänemark, General Hermann von Hanneken, dafür plädierte, alle Widerstand- und Sabotageakte mit drakonischer Strenge zu verfolgen, wollte Best seinen bisherigen, vergleichsweise nachsichtigen Kurs fortsetzen. Bis in den Sommer 1943 hinein blieb es bei der vom Reichsbevollmächtigten vertretenen Linie. Dann aber wendete sich das Blatt. Der Sturz Mussolinis und der verheerende britische Luftangriff auf Hamburg im Juli riefen in der dänischen Bevölkerung die Erwartung hervor, daß der Krieg bald mit einer deutschen Niederlage enden werde. Die Kluft zwischen den Regierungsparteien und der Bevölkerung vertiefte sich; die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften verloren zunehmend ihren Einfluß auf die Arbeiterschaft. Anfang August kam es in weiten Teilen des Landes zu Unruhen; in Esbjerg traten am 6. August die Arbeiter in einen «wilden» Streik, der sechs Tage währte. Am 21. August konnte Best die Regierungsparteien nochmals zu einem gemeinsamen Aufruf gegen Arbeitsniederlegungen und Sabotageakte bewegen, der aber keine Wirkungen zeitigte. Vielmehr stieg die Zahl der Sprengstoffanschläge, vor allem auf wichtige Verkehrsverbindungen. Für die Besatzungsmacht besonders beunruhigend war die Ausweitung der Streiks auf Nordjütland, da man um diese Zeit mit einer alliierten Invasion in dieser Küstenregion rechnete.
    Als Best am 24./25. August im Führerhauptquartier, der «Wolfsschanze» nahe dem ostpreußischen Rastenburg, Hitler über die angespannte Lage in Dänemark zu berichten hatte, erfuhr er, daß der «Führer» sich bereits zu einem radikalen Kurswechsel im Sinne unerbittlicher Härte gegenüber den Dänen entschlossen hatte. Die Zeit des «Musterprotektorats» war abgelaufen, und Best fühlte sich selbst, trotz der Rückendeckung Himmlers, Ribbentrops und des Reichsernährungsministers Herbert Backe, als «politisch toter Mann». Der Reichsbevollmächtigte mußte gegen seinen Willen der Regierung Scavenius ein Ultimatum stellen, das unerfüllbare Forderungen enthielt, darunter den Einsatz von Waffengewalt gegen Streikende. Da die Sozialdemokraten auf einem klaren Nein bestanden, blieb der Regierung nur die Ablehnung des Ultimatums übrig. Die deutsche Antwort waren die Verhängung des Ausnahmezustands und die Absetzung der Regierung Scavenius durch General von Hanneken als Inhaber der vollziehendenGewalt am 29. August 1943. Zwar nahm König Christian X. den Rücktritt der Minister nicht an, so daß diese nominell weiter amtierten, ihre Funktionen aber konnten sie nicht mehr ausüben.
    Der Konfrontationskurs, auf den Hanneken, ganz im Sinne Hitler, seit längerem gedrängt hatte, war nur insofern erfolgreich, als die Streiks und Demonstrationen rasch aufhörten. Eine Fortsetzung der Politik der Zusammenarbeit aber war auf diese Weise nicht zu erreichen. Daher konnte Best sich in Berlin mit dem Argument durchsetzen, daß der Ausnahmezustand möglichst zügig zu beenden und die Berufung entweder eines «unpolitischen» Kabinetts oder eines Verwaltungsausschusses unabdingbar sei. Der Ausnahmezustand sollte aber nach seiner Meinung dazu genutzt werden, eine starke deutsche Polizeimacht in Dänemark zu schaffen, die alle Angriffe auf deutsche Interessen verfolgen sollte. Auf dänischer Seite verständigte man sich darauf, daß nach Lage der Dinge eine verfassungsmäßige Regierung nicht mehr möglich war und lediglich eine Verwaltungsspitze, gebildet aus den Staatssekretären der Ministerien, in Frage kam, die auf der Grundlage deutscher Anordnungen zu arbeiten hatte.
    In der Zwischenzeit erließ die Besatzungsmacht scharfe Verordnungen gegen Streiks und Sabotageakte, auf deren Grundlage am 8. September ein Todesurteil gegen einen dänischen Widerstandskämpfer erging. Das kleine dänische Heer wurde entlassen, die Flotte kam der Beschlagnahme durch die Versenkung ihrer Schiffe zuvor. Am 8. September forderte Best in einem Telegramm an das Auswärtige Amt, die Juden- und die Freimaurerfrage noch während der Geltung des Ausnahmezustands zu lösen, weil nach dessen Ende bei einem harten deutschen Vorgehen gegen die etwa 8000 in Dänemark lebenden Juden mit Unruhen, ja mit einem Generalstreik gerechnet werden müßte. Wie Bests Biograph Ulrich Herbert feststellt, ging es dem Reichsbevollmächtigten, entgegen seinen späteren Einlassungen, nicht darum, die dänischen Juden dadurch zu retten, daß
er
sich den Auftrag zur Lösung des Problems erteilen ließ. Vielmehr lag eine

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