Geschichte des Westens
Städte behindert wurde. Gewaltsame Aktionen des niederländischen Widerstands wie Sabotageakte oder Anschläge auf bekannte Kollaborateure, auf Angehörige der Zivilverwaltung, auf Soldaten und Einrichtungen der Wehrmacht beantwortete die deutsche Seite mit überdimensionalen Repressalien, darunter der Erschießung von 50 Geiseln für die Ermordung eines ehemaligen niederländischen Generals, von dem man wußte, daß er für die Deutschen arbeitete, im Februar 1943. In den letzten Kriegsmonaten wurden nach Anschlägen von Widerstandsgruppen jeweils Hunderte von Geiseln exekutiert.
Gegen weniger spektakuläre Formen von Widerstand konnten die Besatzer nur wenig ausrichten. Wenn Arbeits- und Gesundheitsämter die Einberufung zum Arbeitseinsatz im Reich hintertrieben, war das oft nicht nachweisbar, und ohne Denunziationen aus der Bevölkerung ließen sich nur schwer untergetauchte Juden, Verweigerer des Arbeitseinsatzesoder Widerstandskämpfer aufspüren, die von ihren Landsleuten versteckt worden waren. Über 50.000 Niederländer wurden während des Krieges in Konzentrationslager eingeliefert. Nach dem Krieg büßten 150.000 Kollaborateure über kürzere oder längere Zeit hinweg in den von Deutschen auf niederländischem Boden errichteten Konzentrationslagern für das, was sie in der Besatzungszeit getan hatten. 66.000 Personen wurden verurteilt, davon 900 zum Tode, zu lebenslänglichen oder langjährigen Freiheitsstrafen. Zu denen, gegen die ein Todesurteil erging, gehörte Anton Mussert. Er wurde am 7. Mai 1946 in Den Haag hingerichtet.
Wie die Niederlande unterstand auch das besetzte Norwegen einer deutschen Zivilverwaltung. Die einzigen einheimischen Kräfte, auf die sich der von Hitler ernannte Reichskommissar, der Essener Gauleiter Josef Terboven, stützen konnte, waren die etwa 50.000 Mitglieder der einzigen zugelassenen Partei, des Nasjonal Samling (NS) unter Vidkun Quisling, und die mit seiner Hilfe angeworbenen knapp 4000 norwegischen Freiwilligen der Waffen-SS. Da Terboven Quislings politischen Fähigkeiten mißtraute, mußte dieser seine Berliner Gönner, den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, Alfred Rosenberg, und den Oberbefehlshaber der Marine, Erich Raeder, bemühen, um seinen Vorstellungen Nachdruck zu verleihen. Ein erster Teilerfolg war es für Quisling, daß die aus den Reihen des NS stammenden, von Terboven berufenen «kommissarischen Staatsräte» seit Ende September 1941 den Titel «Minister» führen durften. Am 1. Februar 1942 schließlich erfolgte Quislings Ernennung zum «Ministerpräsidenten». Doch auch das war ein bloßer Titel. Hitler dachte nicht daran, Quislings Wunsch zu erfüllen und Norwegen zu einem mit dem Großdeutschen Reich in einem großdeutschen Bund verbundenen «freien, unteilbaren und unabhängigen Reich» zu machen. Der tatsächliche Machthaber in Norwegen war weiterhin Terboven – fürs erste jedenfalls.
Die Ernennung Quislings trug auch nichts dazu bei, der deutschen Herrschaft mehr Rückhalt in der Bevölkerung zu verschaffen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit, im Februar 1942, löste der nominelle Regierungschef mit Maßnahmen zur Gleichschaltung des Schulwesens und der Kirche einen Konflikt aus, der die Norweger tief aufwühlte. 60 Prozent aller Lehrer unterschrieben eine Erklärung, wonach sie sich außerstande sähen, an einer Erziehung der norwegischen Jugend nachden Richtlinien des «Jugenddienstes» des Nasjonal Samling mitzuwirken, und deshalb nicht bereit seien, dem neugegründeten Norwegischen Lehrerverband beizutreten. Etwa 1000 Lehrer wurden daraufhin verhaftet und zur Zwangsarbeit im Norden des Landes deportiert.
Ebenso ablehnend wie die Lehrer reagierten die Bischöfe und Pfarrer, als sie mit der Forderung konfrontiert wurden, ihre Loyalität gegenüber dem «neuen Staat» zu bekunden. Die Bischöfe erklärten am 24. Februar 1942, daß sie ihre Funktionen in der lutherischen Staatskirche niederlegten, ihre seelsorgerliche Tätigkeit aber fortsetzen würden. Die «Regierung» Quisling beantwortete diesen Schritt mit der Suspendierung der Bischöfe und der Einsetzung «loyaler» Amtsvertreter. Als die Pfarrer sich mit den Bischöfen solidarisierten und ebenfalls auf ihre Ämter in der Staatskirche verzichteten, wurden im April fünf führende Mitglieder des oppositionellen Christlichen Gemeinschaftsrates, darunter der Bischof von Oslo, Eivind Berggraf, der Mann an der geistlichen Spitze der norwegischen Kirche, verhaftet. Die
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