Geschichte des Westens
Ausgehverbot – Maßnahmen, mit denen die deutsche Seite einen Sabotageanschlag auf eine Waffenfabrik beantwortete. Die Gegenaktion der hauptstädtischen Arbeiter war so erfolgreich, daß Best sich genötigt sah, das Ausgehverbot am 28. Juni wieder aufzuheben. Am folgenden Tag wurden elf Demonstranten von der Polizei erschossen und die Hinrichtung von acht Widerstandskämpfern bekanntgegeben. Die Streiks weiteten sich daraufhin aus, was Best veranlaßte, den Belagerungszustand über Kopenhagen zu verhängen und die Versorgungsbetriebe stillzulegen. Außerdem wurden die Militärpatrouillen angewiesen, gegebenenfalls von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, und Kampfflugzeuge mit Brandbomben bestückt. Vor allem die letztere Maßnahme wirkte einschüchternd. Seit dem 1. Juli begann die Streikfront zu bröckeln, am 3. Juli war der Ausstand zu Ende.
Hitler war über die Kopenhagener Vorgänge empört und sah darin das vollständige Scheitern der von Best gewählten Taktik. Am 5. Juli 1944 mußte sich der Reichsbevollmächtigte auf dem Berghof bei Berchtesgaden heftige Vorwürfe seines «Führers» anhören. Der bescheidene Handlungsspielraum, den er bisher noch besessen hatte, wurde restlos beseitigt, als ein Terror- und Sabotageerlaß Hitlers am 30. Juli 1944 die Möglichkeit einer gerichtlichen Verfolgung von Widerstandskämpfern abschaffte und nur noch «Gegenterror» zuließ. Der Sonderstatus Dänemarks gehörte der Vergangenheit an. Das skandinavische Königreich war nunmehr endgültig ein besetztes Land unter anderen.[ 17 ]
Besatzung, Kollaboration, Widerstand (II): Frankreich
Auf den ersten Blick zumindest wies Vichy-Frankreich eine große Ähnlichkeit mit dem besetzten Dänemark auf: Es verfügte zunächst über eine beträchtliche Autonomie, was seine innere Politik betraf. Doch inhaltlich unterschied sich dieselbe fundamental von der dänischen: Während die sozialdemokratisch geführte Regierung in Kopenhagen dem «Dritten Reich» außenpolitisch entgegenkam, um das demokratische System zu bewahren, nutzte das Pétain-Regime in Vichy den militärischen Zusammenbruch und die deutsche Oberherrschaft, um die parlamentarische Demokratie der Dritten Republik zu beseitigen. Die vom greisen Marschall als Chef d’État proklamierte «nationale Revolution» zielte jedoch nicht auf die Errichtung einer faschistischen Diktatur, sondern auf eine autoritäre Ordnung, die am ehesten im «Estado novo» Salazars in Portugal eine Entsprechung fand.
Der État français knüpfte an unterschiedliche Traditionen der französischen Rechten von den Ideologen der Gegenrevolution wie Louis de Bonald und Joseph de Maistre über den Bonapartismus und den Boulangismus bis zu den Croix de feu und der Action française an, wobei die letztere großen Nutzen daraus zog, daß Papst Pius XII. im Juli 1939, kurz nach dem Antritt seines Pontifikats, die Exkommunikation aufgehoben hatte, die von seinem Vorgänger Pius XI. 1926 über die Leser der Zeitung «Action française» verhängt worden war. Einer der prominenten Vertreter der Action française im Staat von Vichywar Raphaël Alibert, der erste Justizminister und eigentliche Autor der Verfassungsdekrete vom Juli 1940, von denen bereits die Rede war. Das Motto des État français, «Arbeit, Familie, Vaterland», hatte Oberst de la Rocque, der Führer der Feuerkreuzler, 1934 geprägt. Aus den Gruppierungen der jungen Rechten der Zwischenkriegszeit stammten die planwissenschaftlichen Ideen, auf die vor allem die Regierung Darlan zurückgriff. Vom italienischen Faschismus ließ sich Vichy in Sachen berufsständische Ordnung, Uniformierung von regimenahen paramilitärischen Verbänden, Propaganda, Stigmatisierung wirklicher oder vermeintlicher Gegner wie Kommunisten, Freimaurer, Ausländer, Juden als Feinde des Vaterlandes («Anti-France») anregen. Der deutsche Reichsarbeitsdienst stand Pate bei der Einrichtung von Jugendarbeitslagern (Chantiers de jeunesse). Der systematisch betriebene Kult um Marschall Pétain, den Helden von Verdun, erinnerte an die Glorifizierung von Marschall Pilsudski in Polen, Admiral Horthy in Ungarn, Marschall Antonescu in Rumänien und Generalissimus Franco in Spanien. Den bekanntesten Militärführern fiel in jedem dieser Länder die Aufgabe zu, die Einheit der Nation zu verkörpern und die neue Ordnung zu symbolisieren.
Als Pétain Laval im Dezember 1940 entließ, war das keine Absage an die Kollaboration mit Deutschland, zu der sich der Marschall am
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