Geschichte des Westens
Nachfolgers, des Sozialdemokraten Vilhelm Buhl. Die deutschen Interessen nahm als Nachfolger des Diplomaten Cécil von Renthe-Fink seit dem 5. November 1942 der frühere Justitiar der Gestapo und nunmehrige SS-Gruppenführer Werner Best wahr. Solange die dänische Regierung der außenpolitischen Abhängigkeit vom Deutschen Reich Rechnung trug und die Bevölkerung von größeren Widerstandsaktionen abhalten konnte, respektierte die Besatzungsmacht den Fortbestand des demokratischen Regierungssystems einschließlich der Führungsrolle der Sozialdemokraten.
Für den SS-Intellektuellen Best war das germanische Dänemark dazu bestimmt, eines Tages ein Teil des Großgermanischen Reiches zu werden. Deshalb sollte das Nachbarland so pfleglich wie möglich behandelt werden. Zudem war das Königreich von hoher strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung für Deutschland: Es bildete eine Brücke zu Norwegen und einen Teil der kontinentalen Gegenküste zu England; es belieferte das Reich mit einem erheblichen Teil seines Lebensmittelbedarfs (1941 waren das zwischen 10 und 15 Prozent, was 75 Prozent aller dänischen Agrarexporte entsprach). Außenpolitisch hatte Dänemark dem Deutschen Reich wichtige Zugeständnisse gemacht, indem es im Juli 1940 aus dem Völkerbund ausschied und im November 1941 dem Antikominternpakt beitrat. Der Rekrutierung von Freiwilligen für die Waffen-SS und, unter der deutschen Minderheit in Nordschleswig, auch für die Wehrmacht legte die dänische Regierung keine Hindernisse in den Weg. Die Kopenhagener Führung hoffte, auf diese Weise eine direkte Beteiligung am Krieg vermeiden und ihre innere Autonomie bewahren zu können.
Mit dieser Zielsetzung war eine Regierungsbeteiligung der kleinen Partei der Nationalsozialisten nicht vereinbar, von der Einsetzung einer Regierung unter Führung von Frits Clausen, dem erstenMann der dänischen Nationalsozialisten, wie Hitler sie im Herbst 1941 forderte, ganz zu schweigen. Best gelang es, unmittelbar nach Beginn seiner Tätigkeit als Reichsbevollmächtigter, Clausen zum Verzicht auf eine Regierungsbeteiligung seiner Partei zu bewegen und damit den Weg frei zu machen für eine verfassungskonforme Lösung: die Berufung des parteilosen Außenministers Erik Scavenius an die Spitze eines Kabinetts, dem weiterhin alle wichtigen Parteien, von den Sozialdemokraten bis zu den Konservativen, angehörten. Der Reichstag verabschiedete sogar, wie Hitler das verlangt hatte, ein «Ermächtigungsgesetz», das der Regierung umfassende Kompetenzen auf dem Gebiet der Gesetzgebung einräumte. Aber wie diese Vollmachten genutzt wurden, entschieden nach wie vor die Parteien, die das Kabinett trugen. Das Kabinett Scavenius war zwar in höherem Maß von Deutschland abhängig als die sozialdemokratisch geführten Vorgängerregierungen, aber doch immer noch sehr viel mehr als eine Marionettenregierung.
Best hielt die innenpolitische Lage Anfang 1943 für stabil genug, um den spätestens am 3. April fälligen Reichstagswahlen zuzustimmen. Aus den Wahlen vom 23. März gingen die Sozialdemokraten mit über 44 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen als stärkste Partei hervor. Auf die vier «Sammlungsparteien» entfielen insgesamt 92 Prozent der Stimmen. Die dänischen Nationalsozialisten erhielten etwa 2 Prozent und blieben damit eine Splitterpartei. Die Regierung Scavenius konnte den Wahlausgang zurecht als Plebiszit für die von ihr propagierte «folkestyre», die dänische Selbstbestimmung, deuten.
Dem innenpolitischen Triumph der Regierung folgte wenige Monate später die bisher schwerste Krise der Kollaborationspolitik. Die militärischen Niederlagen, die Deutschland seit dem Spätjahr 1942 hinnehmen mußte, und die von der BBC verbreitete Propaganda dänischer Exilpolitiker aus London führten 1943 zu wachsender Unruhe in der Bevölkerung, ja zu der Angst, daß Dänemark von den wahrscheinlichen Siegermächten immer mehr als Partner der Achsenmächte wahrgenommen und zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Die britische Sabotageorganisation SOE begann seit dem Frühjahr 1943, ihre Kontakte zu dänischen Widerstandsgruppen auszubauen und sie über ihre in Jütland gelandeten oder dort mit dem Fallschirm abgesprungenen Agenten mit Waffen und Sprengstoff zu versorgen. Die Zahl der Sabotageakte stieg von 24 im Januar auf 80 im April 1943. Es kam zueinigen Streiks und Zusammenstößen zwischen dänischen Zivilisten und Soldaten der Wehrmacht.
Während der deutsche
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