Geschichte des Westens
Pfarrer, die auch nach einem Ultimatum des Kirchen- und Unterrichtsministeriums fast ausnahmslos bei ihrer Amtsniederlegung blieben, erhielten fortan keine Gehälter mehr. Ihre seelsorgerliche Arbeit aber konnten sie fortsetzen: Sie wurden aus reichlich fließenden Spenden bezahlt, die die neu geschaffene vorläufige Kirchenleitung einsammelte.
Zu einem Debakel wurde auch Quislings Plan vom September 1942, die unter kommissarische Verwaltung gestellten Gewerkschaften, den Handwerker- und den Industriellenverband nach dem Vorbild der Deutschen Arbeitsfront in einer Dachorganisation, dem Riksting, zusammenzufassen. Die Gewerkschaften und Verbände reagierten darauf mit der Aufforderung an ihre Mitglieder, in diesem Fall ihren Austritt aus den bestehenden Vereinigungen zu erklären. Terboven konnte die sofort einsetzende Austrittswelle nur dadurch eindämmen, daß er Quisling zur Rücknahme seines «Riksting»-Planes zwang: ein Triumph des zivilen Ungehorsams.
Die tatsächliche Führung Norwegens lag um diese Zeit bereits in den Händen des Widerstands, der seinerseits eng mit der Exilregierung in London zusammenarbeitete. Zwischen Norwegen und den britischen Shetland-Inseln pendelten, was der Besatzungsmacht zunächst verborgen blieb, Boote, die Flüchtlinge nach Großbritannien und Freiwillige für die Untergrundarbeit sowie Waffen und anderes Material nach Norwegen brachten. Norwegische Widerstandskämpfer aus demwachsenden Kreis der «Milorg» halfen den Briten bei Anschlägen auf deutsche Kriegsschiffe wie die «Bismarck» und die «Tirpitz»; sie zerstörten auch selbst deutsche Schiffe und Versorgungseinrichtungen sowie rüstungswichtige Industrieanlagen und verübten Attentate auf Vertreter der Besatzungsmacht. Der spektakulärste Sabotageakt war der Anschlag auf die Schwerwasseranlage von Vermork, die von großer Bedeutung für die deutsche Nuklearforschung war, im Februar 1943, verübt durch ein norwegisches Kommando, das von der britischen SOE (Special Operations Executive) ausgebildet worden war.
Die Deutschen beantworteten jede Aktion des Widerstands mit drastischen «Sühnemaßnahmen», meist der Exekution unbeteiligter Menschen. Im April 1942 wurde in einem Vergeltungsschlag das kleine Fischerdorf Televåg dem Erdboden gleichgemacht. Es war der Ort, wo sich zwei von den Shetland-Inseln aus nach Norwegen gelangte Widerstandskämpfer, die zwei Gestapo-Agenten getötet hatten, versteckt hielten. Die männlichen Bewohner von Televåg wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, wo 31 von ihnen umkamen, die Frauen und Kinder in Lager im Landesinnern verbracht. Im Herbst 1943 schloß die Besatzungsmacht die Universität Oslo, nachdem sie 1200 Studenten und 30 Lehrkräfte verhaftet hatte. Bei Kriegsende befanden sich etwa 40.000 Norweger in den von Deutschen im Lande selbst errichteten Lagern, darunter viele Polizisten und ehemalige Offiziere, die sich geweigert hatten, Loyalitätserklärungen abzugeben. Etwa 50.000 Norweger waren seit dem April 1940 ins Nachbarland Schweden geflohen, darunter etwa 900 Juden – mehr als die Hälfte der Juden, die 1940 in Norwegen lebten. Von den über 700 Juden, die in Norwegen blieben, überlebten nur wenige den Zweiten Weltkrieg.
Aus den Norwegern, denen es gelungen war, ihre Heimat 1940 oder danach in Richtung Schweden oder auf dem Seeweg nach Großbritannien zu verlassen, rekrutierte die Londoner Exilregierung unter dem Sozialdemokraten Johan Nygaardsvold eine Freiwilligenarmee, die aus einer Landtruppe, einer Luftwaffe und einer Kriegsflotte bestand, 1942/43 etwa 2500 Mann umfaßte und an zahlreichen alliierten Einsätzen teilnahm. Als die deutschen Streitkräfte in Norwegen im Mai 1945 kampflos aufgaben, beging Reichskommissar Terboven Selbstmord. Am 31. Mai 1945 kehrten König Haakon VII. und die Regierung nach Oslo zurück. Quisling stellte sich der norwegischen Heimwehr, wurde in einem Gerichtsverfahren zum Tode verurteiltund am 15. Oktober 1945 hingerichtet. Dasselbe Schicksal erlitten 25 norwegische Kollaborateure.
Einen Sonderfall der deutschen Besatzungsherrschaft bildete das südlichste der skandinavischen Länder, Dänemark. König Christian X. blieb während der ganzen Zeit der Okkupation im Lande; das 1940 zur faktischen Allparteienregierung ausgeweitete Kabinett unter dem Sozialdemokraten Thorvald Stauning arbeitete mit der Besatzungsmacht ebenso loyal zusammen wie nach Staunings Tod am 3. Mai 1942 das Kabinett seines
Weitere Kostenlose Bücher