Geschichte des Westens
machen wir.› Und dann kommen sie alle an, die 80 Millionen braven Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist klar, die anderen sind Schweine, aber dieser ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammenliegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Das ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.»
Zwei Tage später hielt Himmler in Posen eine Rede vor den Gauleitern der NSDAP. Abermals ging er auf das Thema Judenvernichtung ein. «Es trat an uns die Frage heran», erklärte der Reichsführer SS, «wie ist es mit den Frauen und Kindern? – ich habe mich entschlossen, auch hier eine ganz klare Lösung zu finden. Ich hielt mich nämlich nicht für berechtigt, die Männer auszurotten – sprich also, umzubringen oder umbringen zu lassen – und die Rächer in Gestalt der Kinder für unsere Söhne und Enkel groß werden zu lassen. Es mußte der schwere Entschluß gefaßt werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen.»
Goebbels, der an der Gauleitertagung vom 6. Oktober teilnahm, notierte in sein Tagebuch, Himmler habe «ein ganz ungeschminktes und freimütiges Bild» von der Judenfrage gezeichnet. «Er ist der Überzeugung, daß wir die Judenfrage bis Ende dieses Jahres für ganz Europa lösen können. Er tritt für die radikalste und härteste Lösung ein, nämlich dafür, das Judentum mit Kind und Kegel auszurotten. Sicherlich ist das eine wenn auch brutale, so doch konsequente Lösung. Denn wir müssen schon die Verantwortung dafür übernehmen, daß diese Frage in unserer Zeit ganz gelöst wird. Spätere Geschlechter werden sich sicherlich nicht mehr mit dem Mut und der Besessenheit an dieses Problem heranwagen, wie wir das heute noch tun können.»
Von den beiden großen Zielen des Nationalsozialismus erschien das eine, die Eroberung von «Lebensraum» im Osten, im Herbst 1943 kaum noch erreichbar. Mitte Juli hatte Hitler die Operation «Zitadelle» im Bogen von Kursk abbrechen müssen; danach drängte die Rote Armee immer weiter nach Westen vor. Im August und September 1943 mußten die Deutschen das Donezbecken und den Kuban-Brückenkopf räumen; im November ging die Dnjepr-Linie verloren. Das andere große Ziel, die Endlösung der Judenfrage, zu erreichen erschien aber noch möglich, und weil dem so war, widmete sich die national sozialistische Führung diesem Ziel mit äußerster Verbissenheit. Das allerletzte Ziel aber war die physische Ausrottung der Juden nicht. Das Judentum hatte nach Hitlers Überzeugung dem frühen Christentum seinen Stempel aufgedrückt, so daß der Geist des Judentums im Christentum fortlebte und auf diese Weise in letzter Instanz die Schuld trug an einer lebensgefährlichen Schwächung des Selbstbehauptungswillens der arischen Völker. Daraus folgte, daß der Kampf gegen den jüdischen Geist nur durch die Überwindung des Christentums gewonnen werden konnte.
In seinen Monologen im Führerhauptquartier kam Hitler immer wieder darauf zurück, daß Jesus Arier oder zumindest Halbarier gewesen sei, der Jude Paulus aber schon das Urchristentum auf die Bahn des Bolschewismus gebracht habe. «Dadurch, daß Paulus aus der arischen Protestbewegung gegen das Judentum in Palästina eine überstaatliche christliche Religion machte, hat der Jude das römische Reich zertrümmert», erklärte er am 21. Oktober 1941. «Mit seinem Christentum stellte Paulus der römischen Staatsidee die Idee eines überstaatlichen Reiches gegenüber. Paulus proklamierte die Gleichheit allerMenschen und einen Gott, und indem er das durchsetzte, mußte die römische Staatsgewalt verblassen … Rom wurde bolschewistisch, und dieser Bolschewismus wirkte sich in Rom genauso aus, wie wir es später in Rußland erlebten … Aus dem Saulus wurde ein Paulus und aus dem Mardochai ein Karl Marx (Mardechai war der Geburtsname von Marxens Großvater, H. A. W.). Wenn wir diese Pest ausrotten, so vollbringen wir eine Tat für die Menschheit, von deren Bedeutung sich unsere Männer draußen noch gar keine Vorstellung machen können.»
Drei Jahre später, am 30. November 1944, drückte Hitler seine Überzeugung vom jüdischen Charakter des Christentums folgendermaßen aus:
Weitere Kostenlose Bücher