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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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5 Prozent der Zivilbevölkerung einer Hungersnot zum Opfer fielen. In Kroatien und Montenegro reagierten die italienischen Besatzer auf Anschläge der Tito-Partisanen mit Methoden, die denen der SS ähnelten: Folterungen, Geiselerschießungen, das Niederbrennen ganzer Ortschaften und Massendeportationen in Konzentrationslager waren an der Tagesordnung. Für die Exekution von Geiseln galten mancherorts Quoten von zehn Geiseln für einen getöteten oder verwundeten Offizier. Insgesamt wurden 100.000 Slowenen und Kroaten deportiert, um die annektierten Gebiete möglichst rasch und vollständig zu «italianisieren». Besonders radikal ging dabei der Oberbefehlshaber der 2. Königlichen Armee, General Mario Roatta, vor – derselbe Kommandeur, der sich, wie schon erwähnt, im Herbst 1942 der Auslieferung von Juden an die Deutschen mit Erfolg widersetzte.
    Aus ideologischen, wirtschaftlichen wie aus Prestigegründen bestand Mussolini auf einer Beteiligung Italiens am Feldzug gegen die Sowjetunion. Auf den Einsatz im Osten aber waren die 200.000 Mann der Armata Italiana in Russia (ARMIR) völlig unzureichend vorbereitet: Es fehlte vor allem an Winterkleidung und an schweren Waffen. Die Italiener verloren bis zur Einnahme Stalingrads durch die Rote Armee Anfang Februar 1943 95.000 Mann, fast 70 Prozent ihrer Kraftfahrzeuge und nahezu ihre gesamte Artillerie. Die Zahl der Verwundeten ging in die Zehntausende. Der Rückzug von der Ostfront im Frühjahr 1943 vollzog sich in chaotischer Form. Nur etwa über 10.000 Soldaten der ARMIR sollten ihre Heimat wieder sehen.
    Dem Fall von Stalingrad ging im November 1942 die verlorene Schlacht von El-Alamein voraus. Für die Italiener hatte die bislang schwerste Niederlage der Achsenmächte auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz, wie Wolfgang Schieder bemerkt, eine ähnliche Bedeutung wie Stalingrad für die Deutschen: Sie wurde zum Anfang vom Ende. Im Mai 1943 mußten Deutsche und Italiener in Nordafrika kapitulieren. Am 10. Juli landeten britische und amerikanische Streitkräfte unter dem Oberbefehl von General Eisenhower im SüdostenSiziliens und zerstörten damit schlagartig, wie der Historiker Jens Petersen schreibt, den nationalsozialistischen «Mythos von der Unangreifbarkeit der Festung Europa». Augusta und Syrakus mußten kapitulieren. Nur im Nordosten der Insel, gegenüber der Straße von Messina, konnten sich deutsche Truppen vorerst noch behaupten. Der alliierte Vormarsch auf Sizilien war der entscheidende Grund, weshalb Hitler am 13. Juli die Operation «Zitadelle» abbrach und das 2. SS-Panzerkorps aus Rußland nach Italien verlegte.
    Schon vor der Invasion der Alliierten in Sizilien hatten sich der Unmut und der Kriegsverdruß der Italiener erst in Hungerdemonstrationen, dann im März 1943 in großen Streiks geäußert, die in den Fiat-Werken von Turin ihren Ausgang nahmen und bald große Teile von Norditalien erfaßten. Es waren die ersten Arbeitsniederlegungen seit fast zwei Jahrzehnten; zeitweise bis zu 300.000 Menschen beteiligten sich an den spontanen Aktionen. Das unmittelbare Ziel der Ausstände waren höhere Löhne und Lebensmittelrationen, doch waren mitunter auch Rufe nach einem sofortigen Friedensschluß zu hören. Die Unternehmer traten sofort in Verhandlungen mit den Streikenden und erfüllten, so gut es ging, ihre Forderungen. Der Staatsapparat, die faschistische Partei und die offiziellen Korporationen traten dagegen faktisch nicht in Erscheinung. Der «stato corporativo» erwies sich als bloße Fassade – ein deutliches Zeichen für den Autoritätsverfall des faschistischen Systems.
    Die sozialen Unruhen gaben den oppositionellen Kräften, die sich seit der Jahreswende 1942/43 neu zu formieren begonnen hatten, moralischen und politischen Auftrieb. Die Vertrauensleute des Regimes beobachteten ein Anwachsen der kommunistischen Bewegung; mehr Gewicht aber hatte im Sommer 1943 eine Gruppe aus Politikern der Parteien rechts von den Kommunisten, die sich um den Ministerpräsidenten der Jahre 1921/22, den einstigen Reformsozialisten Ivanoe Bonomi, scharte. Bonomi stand in Verbindung mit dem Kreis um die Schwiegertochter des Königs, die Prinzessin Marie José von Piemont, eine Tochter des verstorbenen belgischen Königs Albert I. – einem Kreis, in dem bereits im Sommer 1942 der Plan eines königlichen Staatsstreiches gegen den «Duce» entwickelt worden war. Soweit es nach Bonomi ging, sollte der Monarch Mussolini stürzen und einsperren lassen,

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