Geschichte des Westens
vorübergehend einen General an die Spitze einer Militärregierung stellen und dann ein Kabinett aus älteren Politikern bilden,dem die Aufgabe zufiel, mit den Alliierten Verhandlungen über ein Ausscheiden Italiens aus dem Krieg zu führen.
Eine Opposition gegen Mussolini gab es mittlerweile auch in der faschistischen Partei. Führender Kopf der Verschwörer war der Kammerpräsident Graf Dino Grandi, ein von der unabwendbaren Niederlage der Achsenmächte überzeugter Politiker, der dem «Duce» auch persönlich grollte, seitdem dieser ihn Anfang Februar 1943 als Justizminister entlassen hatte. Zu Grandis engsten Verbündeten gehörten der frühere Senatspräsident Luigi Federzoni, der Korporationsminister Giuseppe Bottai und Mussolinis Schwiegersohn, der ehemalige, im Februar 1943 entlassene Außenminister Graf Ciano. Sie alle verband, daß sie sich 1940 gegen einen Kriegseintritt Italiens ausgesprochen hatten. Im Sommer 1943 strebte Grandi eine Art von Rekonstitutionalisierung des faschistischen Regimes an, wobei der Träger der Krone, der Senat und die Kammer wieder voll in ihre verfassungsmäßigen Funktionen einzusetzen waren. Eine auf dieser Grundlage umgebildete Regierung sollte dann mit den westlichen Alliierten in Friedensverhandlungen eintreten. In diesem Zusammenhang sah Grandi, der während seiner Zeit als italienischer Botschafter in London von 1932 bis 1939 ein gutes persönliches Verhältnis zu Churchill entwickelt hatte, offenkundig eine große Aufgabe auf sich selbst zukommen. Daß ein solches Vorhaben nicht mit Mussolini zu verwirklichen war, sondern die Entmachtung des «Duce» voraussetzte, war Grandi und seinen politischen Freunden bewußt.
Innerhalb des Militärs war der Generalstabschef des Heeres, Vittorio Ambrosio, die treibende Kraft einer dem «Duce» gegenüber zunehmend skeptischen Fronde. Aus Ambrosios Sicht konnte Mussolini nur dann an der Spitze der Regierung bleiben, wenn es mit seiner Hilfe gelang, Hitlers Zustimmung entweder zu einer grundlegenden Änderung der strategischen Prioritäten, das heißt zu einer (auch vom «Duce» befürworteten) Beendigung des Krieges im Osten und einer Konzentration der militärischen Kräfte auf den Kampf gegen die westlichen Alliierten, vor allem im Mittelmeerraum, oder aber zum Ausscheiden Italiens aus dem Krieg insgesamt zu erreichen. War Mussolini dazu nicht bereit oder scheiterte ein entsprechender Vorstoß beim «Führer», mußte der «Duce» ausgeschaltet werden. Dazu bedurfte es freilich der Mitwirkung des Königs.
Was Viktor Emanuel III. anging, so hatte auch er einen Grund, sichvon Mussolini zu trennen: Einer Niederlage Italiens würde mit großer Wahrscheinlichkeit der Sturz der Monarchie folgen, sofern er, der Monarch, nicht rechtzeitig mit dem Mann brach, der das Land in den Krieg geführt hatte. Anfang Juli 1943 scheint sich der König mit der Ablösung Mussolinis mit Hilfe der Armee und der Carabinieri und der Einsetzung einer provisorischen Regierung unter Marschall Badoglio, dem vom «Duce» im Dezember 1940 entlassenen Generalstabschef, einverstanden erklärt zu haben. Je mehr Unterstützung der Machtwechsel bei der faschistischen Partei fand, desto größer war die Chance, daß sich der Staatsstreich ohne Blutvergießen oder gar Bürgerkrieg durchführen ließ. Abwarten wollte Viktor Emanuel aber in jedem Fall noch das Treffen zwischen Mussolini und Hitler, das am 19. Juli im norditalienischen Feltre stattfinden sollte. Der König ließ sich dabei von der Hoffnung leiten, daß ein Ausscheiden Italiens aus dem Krieg vielleicht doch noch mit diplomatischen Mitteln und im Einvernehmen mit Deutschland erreicht werden könnte.
Die Zusammenkunft des «Führers» und des «Duce» in Feltre bestand in erster Linie aus stundenlangen Monologen Hitlers, der sich unter anderem über die kriegswirtschaftliche Bedeutung der Ukraine und des Balkans ausließ. Der gesundheitlich geschwächte Mussolini forderte eine Verstärkung der militärischen Unterstützung durch Deutschland, beschränkte sich ansonsten aber im wesentlichen auf das Zuhören. Damit enttäuschte er die Erwartungen der Heeresführung, obenan des mit nach Feltre gereisten Generalstabschefs Ambrosio, der ihn gedrängt hatte, Hitler eindringlich auf die verzweifelte Lage Italiens hinzuweisen und den Krieg notfalls von sich aus binnen kürzester Zeit zu beenden. Während die beiden Diktatoren konferierten, bombardierten die Alliierten Rom. Es war zwar nur einer von vielen
Weitere Kostenlose Bücher