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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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und des Mannes an seiner Spitze: das eigene Gewissen. Weil die Verschwörer ihrem Gewissen folgten, wurde der 20. Juli 1944 zu einem der großen Tage der neueren deutschen Geschichte. Einen ähnlich hohen moralischen Rang haben zwei Tage, die ebenfalls in die Annalen des deutschen Widerstands gegen Hitler eingegangen sind: der 8. November 1939, an dem der württembergische Schreiner Johannes Georg Elservergeblich versuchte, mit einer selbstgebauten Bombe den «Führer» anläßlich seines Auftritts im Münchner Bürgerbräuhauskeller zu töten, und der 18. Februar 1943, an dem Hans und Sophie Scholl, die Gründer der oppositionellen Studentengruppe «Weiße Rose», unter dem Eindruck der Niederlage von Stalingrad im Lichthof der Münchner Universität Hunderte von Flugblättern gegen die gewissenlose Kriegführung Hitlers verteilten.
    Elser, der Einzelgänger aus dem Volk, die Geschwister Scholl, ihre Kommilitonen Christoph Probst, Alexander Schmorell und Willi Graf, ihr akademischer Mentor Kurt Huber erlitten dasselbe Schicksal wie die Männer des 20. Juli 1944: Sie wurden exekutiert. Wären sie und andere nicht gegen Hitler aufgestanden, die Deutschen hätten nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wenig gehabt, woran sie sich beim Rückblick auf die Jahre 1933 bis 1945 aufrichten konnten.[ 22 ]
Die Teilung Europas (I):
Nachkriegsplanungen der Alliierten
    Bis zuletzt hatten einige der maßgeblichen deutschen Gegner Hitlers, an ihrer Spitze Goerdeler, gehofft, ein Sturz des nationalsozialistischen Regimes würde Deutschland in die Lage versetzen, mit den Alliierten zu einem Verständigungsfrieden zu gelangen. Realistisch war diese Erwartung seit der Casablanca-Formel von der «bedingungslosen Kapitulation» nicht mehr. Die Landung der westlichen Verbündeten in der Normandie im Juni 1944 tat ein übriges, die Haltung Londons und Washingtons gegenüber der deutschen Opposition zu verhärten. Churchill, der über die Absichten der Berliner Verschwörer sehr gut informiert war, zugleich aber allem Preußischen gegenüber tiefes Mißtrauen empfand, hielt es für angebracht, am 2. August 1944 im Unterhaus ein sehr abschätziges Urteil über die Männer des 20. Juli abzugeben: Bei dem Anschlag auf Hitler handle es sich lediglich um Ausrottungskämpfe unter den führenden Persönlichkeiten des Reiches.
    Im Vordergrund der alliierten Planungen für das Nachkriegsdeutschland stand seit längerem der Gedanke einer «Zerstückelung» (dismemberment) des Reiches. Als erster hatte Stalin im Dezember 1941 in Gesprächen mit dem britischen Außenminister Eden dieseIdee, und zwar in Gestalt einer Abtrennung des Rheinlands von Preußen, der Abtretung Ostpreußens an Polen und der Bildung eines eigenen bayerischen Staates, zur Sprache gebracht. Im Oktober 1943 verständigten sich die Außenminister der USA, Großbritannien und der Sowjetunion, Hull, Eden und Molotow, in Moskau auf die Wiederherstellung eines unabhängigen Österreich in den Grenzen von 1938 und die Abtretung Ostpreußens an Polen. Konkrete Einzelheiten sollten in der Europäischen Beratenden Kommission (European Advisory Commission) erörtert werden, die ihren Sitz in London nahm.
    Auf der Konferenz der «Großen Drei» vom 28. November bis 1. Dezember 1943 in Teheran verständigten sich Roosevelt, Stalin und Churchill nicht nur, wovon bereits die Rede war, auf eine Westverschiebung Polens und die Abtretung des nördlichen Ostpreußen an die Sowjetunion, sondern auch, zumindest im Grundsatz, auf eine Zerstückelung Deutschlands. In der Schlußsitzung plädierte Churchill für eine Isolierung Preußens, das härter behandelt werden sollte als die übrigen Teile Deutschlands, die in einem eigenen Staat zusammenzuschließen waren, sowie für eine Donauföderation, der Bayern, Österreich und möglichst auch Ungarn beitreten sollten. Roosevelt sprach sich für fünf autonome deutsche Staaten aus, nämlich erstens Preußen, zweitens Hannover und Nordwestdeutschland, drittens Sachsen, viertens Hessen und fünftens Bayern, Baden und Württemberg. Das Ruhr- und das Saargebiet sollten keiner deutschen Staatshoheit, sondern einer Treuhandverwaltung der Vereinten Nationen unterstehen. Stalin neigte mehr der Linie des amerikanischen Präsidenten als der des britischen Premierministers zu. Bindende Beschlüsse wurden in Teheran nicht gefaßt. Die weitere Erörterung der Aufteilung Deutschlands überließen die «Großen Drei» der Europäischen

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