Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
Beratenden Kommission in London.
    Innerhalb der amerikanischen Regierung gab es, was die künftige Behandlung Deutschlands anging, höchst unterschiedliche Auffassungen. Außenminister Cordell Hull trat für eine freiwillige Aufteilung Deutschlands ein, wobei er mit starken separatistischen Bestrebungen im Westen und Süden des Reiches rechnete. Sein Stellvertreter Sumner Welles hingegen war ein entschiedener Anwalt einer zwangsweisen Zerstückelung Deutschlands. Sehr viel weiter noch ging Finanzminister Henry Morgenthau. Er wollte Polen den Süden von Ostpreußen sowie Schlesien und Frankreich neben dem Saargebiet die Territorienwestlich von Rhein und Mosel zugestehen, das Ruhrgebiet einer internationalen Kontrolle unterstellen und das übrige Deutschland in zwei autonome, voneinander unabhängige Staaten im Norden und Süden aufteilen. Damit von Deutschland nie wieder eine Bedrohung für andere Länder ausgehen konnte, sollte es radikal entindustrialisiert, also in ein Agrarland umgewandelt werden.
    Auf ihrer Konferenz in Quebec im September 1944 stellten sich Roosevelt und Churchill auf den Boden des Morgenthau-Plans. Wenige Wochen später aber, am 22. September, zog der amerikanische Präsident seine Unterschrift wieder zurück. Es waren die Einsprüche von Außenminister Hull, Kriegsminister Stimson und dessen Stellvertreter John McCloy, die Roosevelt zu der Einsicht brachten, daß die Vorstellungen seines Finanzministers von einem reagrarisierten Deutschland ein Produkt rückwärtsgewandten Wunschdenkens und fatal für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas waren. Kurz darauf distanzierte sich auch Churchill vom Morgenthau-Plan.
    Die Aufteilung Deutschlands freilich stand weiter auf der Tagesordnung der Alliierten. Am 27. Oktober 1944 berichtete Churchill Roosevelt telegraphisch von seinen Moskauer Gesprächen mit Stalin, in denen sich der Sowjetführer für eine Abtrennung des Ruhr- und des Saargebiets von Preußen, für ein selbstständiges Rheinland und einen süddeutschen Staat unter Einschluß Österreichs mit Wien als Hauptstadt ausgesprochen habe. Wieder andere Vorstellungen von einer Neugliederung Deutschlands vertrat die am 10. September 1944 gebildete, am 23. Oktober von den Alliierten anerkannte Provisorische Regierung der Französischen Republik unter General de Gaulle: Sie verlangte die Abtrennung des linken Rheinufers von Deutschland, den Rhein bis nördlich von Köln als permanente französische Staats- oder mindestens Militärgrenze, die Internationalisierung der Ruhr, die Angliederung des Saargebiets an Frankreich sowie eine französische Besatzungszone im Südwesten Deutschlands. Deutschland sollte künftig aus mehreren, allenfalls locker miteinander verbundenen Staaten bestehen. Im Dezember 1944 erklärte de Gaulle bei einem Besuch in Moskau, der im Abschluß eines auf 20 Jahre befristeten französischsowjetischen Bündnisvertrages gipfelte, sein Einverständnis mit der künftigen deutsch-polnischen Grenze an Oder und Lausitzer Neiße. Die Zustimmung Stalins zur französischen Forderung nach der Rheingrenze erhielt er allerdings nicht.
    Zwischen Churchills Moskaubesuch vom Oktober und dem geplanten neuen Dreiergipfel zu Beginn des Jahres 1945 lagen die amerikanischen Präsidentenwahlen vom 7. November 1944. Die Republikaner stellten den Gouverneur von New York, Thomas E. Dewey, einen der aktivsten Politiker der jüngeren Generation, auf, die Demokraten zum vierten Mal Franklin Delano Roosevelt. Als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten setzte der Parteiapparat an Stelle des Amtsinhabers, des entschiedenen «New Dealers» Henry Wallace, den als vergleichsweise konservativ geltenden Senator von Missouri, Harry S. Truman, durch. Seine Wahlkampfauftritte bewältigte der gesundheitlich geschwächte Präsident, der unter anderem an fortschreitender Arteriosklerose litt, souverän. Erneut triumphierte er an den Urnen: Er erhielt 53,5 Prozent, sein Konkurrent 46 Prozent. Im Senat verloren die Demokraten einen Sitz, im Repräsentantenhaus gewannen sie 20 Mandate hinzu. In beiden Häusern des Kongresses konnte die Partei des Präsidenten damit ihre Mehrheit behaupten.
    Ein Vierteljahr nach der Präsidentenwahl, am 4. Februar 1945, trafen sich Roosevelt, Churchill und Stalin, begleitet von ihren Außenministern, führenden Militärs und den jeweils wichtigsten politischen Beratern, in Jalta auf der Krim. Die Konferenz fiel in eine Zeit, in der amerikanische Militärs noch mit

Weitere Kostenlose Bücher