Geschichte des Westens
einem längeren, möglicherweise bis weit in das Jahr 1946 hinein dauernden Krieg im Fernen Osten und in diesem Zusammenhang mit dem Verlust von einer weiteren Million amerikanischer Soldaten rechneten. Umso wichtiger erschien es Roosevelt, die Sowjetunion zum Aufbau einer zweiten Front gegenüber Japan zu bewegen.
Stalin zeigte sich grundsätzlich bereit, das im April 1941 geschlossene, auf fünf Jahre befristete Neutralitätsabkommen mit Tokio zu kündigen und spätestens drei Monate nach der deutschen Kapitulation in den Krieg gegen Japan einzutreten, knüpfte einen solchen Schritt aber an harte Bedingungen: die Übergabe der Kurilen, die das Zarenreich 1875 an Japan abgetreten hatte, und von Südsachalin, das Rußland nach dem Krieg mit Japan von 1904/05 verloren hatte, an die Sowjetunion sowie die Wiederherstellung alter russischer Sonderrechte in bezug auf Eisenbahnen und Häfen in der Mandschurei. Roosevelt ging auf diese Forderungen mit dem Vorbehalt ein, daß er hierfür noch die Zustimmung von Marschall Tschiang Kai-schek einholen müsse, und ermöglichte so die (vorerst rein symbolische) Aufkündigungdes sowjetisch-japanischen Neutralitätsabkommens am 5. April 1945.
Der Wunsch, den Krieg im ostasiatisch-pazifischen Raum mit sowjetischer Hilfe so rasch wie möglich zu beenden, war nicht der einzige Grund, weshalb Roosevelt, weit mehr als Churchill, Stalin in Jalta weit entgegenkam. «FDR» sah seit der Konferenz von Teheran in den USA und der Sowjetunion die beiden Weltmächte, von deren enger Zusammenarbeit die Aufrechterhaltung des Weltfriedens künftig in erster Linie abhängen würde. Ein solches Kondominium setzte wechselseitiges Vertrauen voraus, und er, Roosevelt, war bereit, Stalin das Vertrauen entgegenzubringen, das er seinerseits von ihm erwartete.
Als der sowjetische Diktator in Jalta erneut die Zerstückelung Deutschlands forderte, widersprach ihm Roosevelt nicht. Churchill und vor allem Eden hatten hingegen mittlerweile Bedenken gegen ein «dismemberment» des Deutschen Reiches, weil sie in der Sowjetunion die Macht sahen, die daraus den größten Nutzen ziehen würde. Das Ergebnis der Diskussionen war ein Kompromiß: Die «Zerstückelung» Deutschlands wurde zwar formell beschlossen, zugleich aber zur näheren Beratung an einen neu geschaffenen «Ausschuß für die Teilungsfrage» überwiesen und damit vertagt.
Einigkeit bestand darin, daß die höchste Machtvollkommenheit in bezug auf Deutschland in den Händen der Alliierten liegen sollte. Der von ihnen bestellte Kontrollrat hatte die Maßnahmen «einschließlich der völligen Entwaffnung, Entmilitarisierung und Zerstückelung» zu treffen, die die Alliierten «für den künftigen Frieden und die Sicherheit für notwendig» hielten. Frankreich wurden, entsprechend einer Zusage, die Stalin Churchill im Oktober 1944 gegeben hatte, ein Sitz im Alliierten Kontrollrat und eine Besatzungszone im Südwesten Deutschlands zugestanden, die auf Kosten des Territoriums der amerikanischen und britischen Zone zu bilden war. In den Teilungsausschuß wurde Frankreich aber nicht aufgenommen.
Ansonsten blieb es bei der Zonenteilung, auf die sich die European Advisory Commission zwischen September und November 1944 verständigt hatte: Der Süden Deutschlands einschließlich Hessens kam zur amerikanischen Zone, der als Enklave Anfang 1947 außerdem Bremen und Bremerhaven zugeschlagen wurden; die britische Zone umfaßte den Nordwesten, die sowjetische Zone Ost- und Mitteldeutschland, wobei die Grenzlinie westlich von Lübeck und der Elbe entlang bis nördlichvon Wittenberge führte, um dann, den Westgrenzen der preußischen Provinz Sachsen, von Thüringen und Sachsen folgend, hinunter bis zur westlichen Grenze der Tschechoslowakei verlief. Für Berlin war ein Viersektorenstatus vorgesehen. Analoge Festlegungen gab es für Wien und Österreich. Ungelöst blieb die Reparationsfrage. Sie wurde, wie das Zerstückelungsproblem, einer besonderen Kommission zur näheren Beratung überwiesen. Ihren Sitz nahm diese Kommission in Moskau.
Die Zukunft Deutschlands war nur eines der Themen, die die «Großen Drei» während der einwöchigen Konferenz von Jalta beschäftigten. Was Polen anging, wurde die modifizierte Curzon-Linie als endgültige Ostgrenze anerkannt. Über eine Ausdehnung Polens bis zur Oder wollten weder Briten noch Amerikaner hinausgehen. Der von Stalin verlangten polnischen Westgrenze entlang der Oder und der westlichen, der Lausitzer Neiße,
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