Geschichte des Westens
Nationalsozialisten gegenüber den Juden und damit an dem von Grund auf verbrecherischen Charakter des «Dritten Reiches» keinen Zweifel mehr hatte. Seitdem stand für Tresckow fest, daß nur die Beseitigung Hitlers dem Morden ein Ende bereiten konnte.
Der Mann, der am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier, der «Wolfsschanze» bei Rastenburg in Ostpreußen, Hitler mit einer Bombe töten wollte, Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, entstammte einer katholischen schwäbischen Adelsfamilie. Claus von Stauffenberg hatte wie sein Bruder Berthold zum Kreis der Jünger des Dichters Stefan George gehört und dessen Traum von einem Adel des Geistes, vom «neuen Reich» und einem innerlichen Deutschland mitgeträumt. Im Nationalsozialismus sahen die beiden Brüder zunächst die Chance, eine Volksgemeinschaft jenseits alles Trennenden zu verwirklichen, und selbst der Rassengedanke erschien ihnen als etwas Gesundes. Die Rassenpolitik der Nationalsozialisten hielten beide dann freilich für eine gefährliche Übertreibung einer an sich richtigen Idee.
Als Helmuth von Moltke 1941 oder Anfang 1942 bei Stauffenberg vorfühlen ließ, ob er sich am Widerstand beteiligen wolle, war die Antwort abschlägig: Erst müsse Deutschland den Krieg gewinnen, und während eines Krieges mit dem Bolschewismus könne man mit der «braunen Pest» nicht aufräumen, sondern erst danach. Zu der Einsicht, daß der Umsturz doch während des Krieges erfolgen mußte, gelangte Stauffenberg im Verlauf des Jahres 1942. Er war inzwischen überzeugt, daß der Krieg für Deutschland nicht mehr zu gewinnen, eine Niederlage im Osten aber vielleicht noch abwendbar sei. Seit Oktober 1943 Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres, hatte Stauffenberg eine Position inne, die für die Verschwörung eine hohe strategische Bedeutung besaß und ihm selbst Zugang zu Hitler verschaffte.
Stauffenbergs Bombe explodierte, nachdem der Oberst das Führerhauptquartier bei Rastenburg wieder in Richtung Berlin verlassen hatte. Was die Verschwörer im Bendlerblock, dem Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht, am 20. Juli 1944 taten, um das nationalsozialistische Regime zu stürzen, war zum Scheitern verurteilt, weil die Annahme, von der sie ausgingen, falsch war: Hitler war nicht tot; er hatte das Attentat leicht verletzt überlebt.
Noch am Abend des 20. Juli wurden Stauffenberg und seine Mitverschwörer Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften im Hof des Bendlerblocks auf Befehl von General Fromm, dem Befehlshaber der Ersatzheeres, erschossen. Generaloberst Ludwig Beck, der nach dem Gelingen des Umsturzes Staatsoberhaupt hatte werden sollen, war zu diesem Zeitpunkt schon tot. Er hatte sich, von Fromm gedrängt, zu erschießen versucht und war, als der Versuch fehlschlug, von einem Feldwebel erschossen worden. Tags darauf nahm sich Henning von Tresckow, einen feindlichen Granatenangriff vortäuschend, an der Ostfront bei Ostrów in Polen das Leben. Er hatte sich zu diesem Schritt entschlossen, weil er fürchtete, bei einer Untersuchung unter Folter könnten ihm Mitteilungen abgepreßt werden, die andere Verschwörer belasteten.
Hitlers Rache an den unmittelbar oder mittelbar Beteiligten war furchtbar. Aber er konnte nicht verhindern, daß beim Prozeß vor dem Volksgerichtshof ein Angeklagter nach dem anderen sich zu seiner Verantwortung bekannte und dem tobenden Präsidenten Roland Freisler die Stirn bot. Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld, Mitarbeiter bei der Dienststelle des Generalquartiermeisters, nannte als ein Motiv seines Handelns «die vielen Morde in Polen». Peter Graf Yorck erklärte: «Das Wesentliche ist, was alle diese Fragen verbindet, der Totalitätsanspruch des Staates gegenüber dem Staatsbürger unter Ausschaltung seiner religiösen Verpflichtung Gott gegenüber». Hans-Bernd von Haeften, Vortragender Legationsrat im Auswärtigen Amt und älterer Bruder Werner von Haeftens, sprach auch für seine Freunde, als er sagte: «Nach der Auffassung, die ich von der weltgeschichtlichen Rolle des Führers habe, nehme ich an, daß er ein großer Vollstrecker des Bösen ist.»
Von denen, die Freisler zum Tode verurteilte, wurden die ersten acht, unter ihnen Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, General Erich Hoepner und Yorck, unmittelbar nach der Urteilsverkündung inder Strafanstalt Berlin-Plötzensee am 8. August gehängt. Andere mußten bis zur Vollstreckung des Urteils warten. Julius Leber, den die
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