Geschichte des Westens
teilgenommen: aus Indien 2,5 Millionen, aus Australien und Neuseeland zusammen über 1 Million, aus Kanada 725.000, aus den ost- und westafrikanischen Kolonien fast 500.000 und aus Südafrika 200.000. Diese militärische Hilfe war für das Mutterland ebenso wichtig wie die Kredite, die Großbritannien aus Indien, aus den «alten» Dominions, Kanada, Australien und Neuseeland, erhielt. Dazu kamen die großzügigen amerikanischen Materiallieferungen nach dem Lend-Lease-Programm. Ohne diese Unterstützung hätte das Vereinigte Königreich den Kampf gegen die Achsenmächte nicht führen und schließlich gewinnen können. Materiell gesehen war dieser historische Erfolg ein geborgter Sieg.
Nach dem Krieg würden Rechnungen präsentiert werden: Darüber gaben sich die Verantwortlichen in London keinem Zweifel hin. Am 2. September 1945 hörten die Lieferungen aus den USA abrupt auf. In langwierigen Verhandlungen, bei denen abermals John Maynard Keynes eine maßgebliche Rolle spielte, gelang es den Briten, einen weitgehenden Schuldenerlaß zu erreichen: Die USA reduzierten ihre Forderungen aus dem Lend-Lease-Programm von 22 Milliarden auf 650 Millionen Dollar, knapp 3 Prozent der geschuldeten Summe. Die Commonwealth-Länder, die Großbritannien mit Krediten geholfen hatten, verlangten am Ende nur 1 Prozent des fälligen Betrages zurück, was den Verzicht auf 38 Milliarden Pfund Sterling oder 152 Milliarden Dollar bedeutete.
Dieses Entgegenkommen war eine immense Erleichterung, aber es reichte nicht aus, das Vereinigte Königreich finanziell wieder handlungsfähig zu machen. Der Zweite Weltkrieg hatte etwa 28 Prozent des britischen Volksvermögens im In- und Ausland vernichtet. Ohne eine neue Kreditaufnahme im Ausland drohte der finanzielle Zusammenbruch. Erneut bedurfte es zäher Verhandlungen, um die nötigen Anleihen zu erhalten – von Kanada in Höhe von 1,25 Milliarden, von den USA in Höhe der dreifachen Summe, nämlich 3,75 Milliarden Dollar.
Im amerikanischen Kongreß gab es heftigen Widerstand gegen den gewünschten Kredit. Der Senat stimmte der Vorlage schließlich im Mai 1946 mit 46 zu 34 Stimmen, das Repräsentantenhaus im Juli mit 219 zu 155 Stimmen zu, so daß Präsident Truman das Gesetz am 15. Juli 1946 unterschreiben konnte. Was bei der parlamentarischen Zustimmung zuletzt den Ausschlag gab, war die Einsicht, daß Großbritannien ein wichtiger, ja der wichtigste Verbündete bei dem Bemühen war, eine weitere Ausdehnung des sowjetischen Einflusses in Europa zu verhindern. Am 5. März 1946 hatte der britische Oppositionsführer Winston Churchill in Fulton im Bundesstaat Missouri in Gegenwart Trumans jene historische Rede gehalten, in der er erstmals öffentlich von dem «Eisernen Vorhang» sprach, der von Stettin bis Triest über Europa niedergegangen sei, und vor diesem düsteren Hintergrund die «special relationship», die historische Sonderbeziehung zwischen den beiden großen englisch sprechenden Demokratien, den Vereinigten Staaten und Großbritannien, beschworen. Churchills Worte hatten die Wirkung eines Paukenschlags.
Die massiven Vorbehalte, auf die das britische Anleihebegehren in beiden großen amerikanischen Parteien stieß, hatten ihren wichtigsten Grund in der Palästinapolitik des Vereinigten Königreiches. Die britische Regierung hatte im Mai 1939 in einem Weißbuch ausdrücklich festgestellt, daß die «Balfour Declaration» vom November 1917, das Versprechen einer nationalen Heimstatt für die Juden in Palästina, niemals die Gründung eines jüdischen Staates gegen den Willen der arabischen Bevölkerung bedeutet habe. Palästina sollte innerhalb von zehn Jahren in die Unabhängigkeit entlassen werden, wobei die Araber im neuen Staat weiterhin die Mehrheit der Bevölkerung stellen sollten. Innerhalb der nächsten fünf Jahre, also bis 1944, legte das Weißbuch eine jüdische Einwanderungsquote von höchstens 10.000 Personen jährlich fest, dazu noch einmal 25.000 jüdische Einwanderer. Für denZionismus war diese Regelung der bislang schwerste Rückschlag in seiner Geschichte.
Unmittelbar nach Kriegsende prallten in dem britischen Mandatsgebiet die gegensätzlichen Interessen von Juden und Arabern aufeinander: Für die Juden war Palästina angesichts der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten zum Zufluchtsort schlechthin geworden, während die dort ansässigen Araber jede weitere jüdische Einwanderung ebenso entschieden ablehnten wie eine Teilung des
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