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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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vor lauter Bäumen nicht. Sie haben immer gesagt, jeder Zentimeter, den man einer falschen Ausgangsthese folgt, führt einen kilometerweit von der Wahrheit weg. Vielleicht suchen wir in der völlig falschen Richtung.«
    Kremer schaute von der Karte hoch. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    »Wir suchen verzweifelt nach der Ursache einer Wirkung, die wir nicht verstehen. Vielleicht sollten wir lieber die Wirkung untersuchen.«
    Kremer sah ihn lange an. »Vielleicht«, sagte er langsam unddehnte das Wort widerwillig. »Aber wir haben nur noch dreißig Zentiliter, Dietrich. Es steht verflixt viel auf dem Spiel, und der Druck aus Berlin ist enorm. Den Luxus einer Sackgasse können wir uns nicht leisten.«
    »Sie nehmen mir das Wort von der Zunge, Johann. Wir stecken in einer Sackgasse. Vielleicht sollten wir noch einmal ganz von vorne anfangen.«
    Bauer griff in das Regal über den Labortischen und zog den Ordner mit der Aufschrift »Braunau« heraus.

Amerikanische Geschichte
    Die Ansprache von Gettysburg
     
    »Dann erzählen Sie mal, Mike: Was wissen Sie über Braunau?«
    Die Stimme klang herzlich, interessiert und beeindruckt, als bäte mich der Sprecher, seinem Freund ein Zauberkunststück vorzuführen.
    Ich fragte mich, was aus Steve geworden war. Die Behendigkeit und Unbeirrbarkeit der beiden Männer, die sich als Hubbard und Brown vorstellten, hatten für Fragen oder Beschwerden keine Zeit gelassen. Ob wir ihnen bitte zu ihrem Wagen folgen würden. Er stünde direkt vor der Tür. Es gäbe da ein paar Fragen, die ich ihnen vielleicht beantworten könne. Das wäre ihnen eine große Hilfe. Wir bräuchten nichts mitzunehmen, und selbstredend bräuchten wir uns keinerlei Sorgen zu machen.
    Vor dem Portal von Henry Hall parkten zwei lange schwarze Sedans, und ich hatte mich zwischen Hubbard und Brown auf den Rücksitz des vorderen setzen müssen. Erst bei der Abfahrt fiel mir auf, daß Steve nirgends zu entdecken war. Ich drehte mich um und wollte durch die Heckscheibe nachsehen, ob er in den zweiten Wagen stieg, doch wie ein Schulmeister vor hundert Jahren drehte mir Brown sanft, aber bestimmt den Kopf wieder in Fahrtrichtung.
    Nach etwa zwanzig Minuten bogen wir von der Straße ab und glitten die Auffahrt einer herrschaftlichen Villa hinauf. Als wir aus dem Wagen stiegen, konnte ich die Schindeln der Giebel in Klinkerbauweise sehen, wie der Hintergrund auf dem Gemälde »American Gothic«. Es war eine laue Sommernacht, und Kiefernduft lag in der Luft.
    Im Haus wurde ich in den Speisesaal geführt, und man bot mir einen Platz an einer großen, blitzblank polierten Tafelaus Ahornholz an. Hubbard setzte sich mir gegenüber, Brown blieb am Ende der Tafel stehen und hantierte mit einer Thermoskanne, deren Deckel sich anscheinend nicht abschrauben ließ.
    »Tausend heulende Höllenhunde«, sagte er und schlug indigniert mit der Faust auf den Deckel.
    »Captain Haddock!« rief ich erstaunt und wünschte sofort, ich hätte die Klappe gehalten.
    Hubbard beugte sich neugierig vor. »Wie bitte?«
    »Ach nichts«, sagte ich. »Ich hab bloß laut gedacht.«
    »Nein, nein. Bitte …« Hubbard bedeutete mir, ihn einzuweihen.
    »Ich mußte an den
Tim und Struppi
denken. Da gibt’s diese Figur Captain Haddock, der sagt auch immer ›Tausend heulende Höllenhunde‹. Das ist mir gerade eingefallen.«
    Hubbard sah Brown an, der den Kopf schüttelte und die Schultern zuckte.
    »Das ist ein Comic«, erklärte ich ihnen. »Zumindest war es mal einer. Aber wahrscheinlich haben Sie noch nie davon gehört.«
    Ich sah, wie sich Hubbard die Begriffe »Tim und Struppi« und »Captain Haddog« notierte, jeweils mit einem großen Fragezeichen. Ich korrigierte seine Orthographie lieber nicht und starrte auf die nagelneu glänzende Tischplatte. Irgend etwas an ihr sagte mir, daß sie nicht neu war, sondern nur sehr, sehr selten benutzt wurde.
    »Sie haben meine erste Frage noch nicht beantwortet, Mike. Braunau. Was wissen Sie alles über Braunau?«
    »Wie kommen Sie darauf, daß ich überhaupt etwas darüber weiß?«
    »Sollte ich mich irren?«
    »Ich hab noch nie von dem Ort gehört«, sagte ich.
    »Das ist doch schon was, Mikey. Sie wissen, daß es ein Ort ist und keine Person oder Rosaschattierung. Das ist doch ein Anfang.«
    Zum Geier. Reingefallen, was?
    »Wahrscheinlich hab ich ihn irgendwo gehört. Vielleicht in der Schule im Erdkundeunterricht …« Ich versuchte tolpatschig, den Satz auf amerikanisch zu wiederholen. »Ich meine, ich

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