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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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hab den garantiert in der Geographieklasse aufgeschnappt, okay? Irgendwann in der Schule. Garantiert, ey.« Beim letzten Satz zuckte ich innerlich zusammen. Warum mußte ich bloß immer so übertreiben?
    Hubbard merkte anscheinend gar nicht, daß etwas faul war, sondern wollte mir nur auf den Zahn fühlen. »Ach ja? Und wissen Sie auch noch, wo dieses Braunau lag?«
    »In Deutschland?«
    »Prima. Sie machen sich, Mike.«
    »Hey! Wollen Sie Ihren Kaffee schwarz oder mit Sahne?«
    »Sahne bitte«, sagte ich und sah zum erstenmal vom Tisch hoch. Brown hatte den Kannendeckel irgendwie besiegt und goß behutsam dicken schwarzen Kaffee in winzig kleine Tassen.
    Es entstand eine kleine Pause, während wir uns gegenseitig Zucker und Teelöffel reichten, was einen immer aus dem Konzept bringt.
    »Wo ist Steve?« ich sah mich um. »Ist er mitgekommen?«
    »Er ist nicht weit weg«, sagte Hubbard und trank vorsichtig einen Schluck Kaffee.
    »Kann ich ihn sprechen?«
    »Klasse Kaffee, Don.«
    Brown nickte gleichmütig, als sei er die Komplimente für seine Kaffeekünste gewöhnt.
    »Ich habe keine Lust, Ihnen Rede und Antwort zu stehen, bevor ich ihn gesehen habe. Ich will endlich wissen, was hier gespielt wird.«
    »Mr. Brown, Sie und ich spielen Kriegsrat, Mikey. Das ist alles. Kein Grund zur Sorge. Sie meinen also, Braunau könne in Deutschland liegen, ja?«
    »Zumindest hört es sich wie ein deutscher Name an.«
    »Dann versuchen wir’s doch mal mit dem Namen Hitler. Sagt Ihnen der Name Hitler etwas?«
    Vielleicht erweiterten sich meine Pupillen, vielleicht schrumpften sie auch. Vielleicht stockte mir kurz der Atem. Vielleicht wechselte ich die Farbe. Ich weiß, daß ich unbefangen sein wollte, und ich weiß, daß es mir nicht gelang.
    »Hitler?« fragte ich und schluckte. »Wo liegt denn das?«
    Hubbard sah wieder zu Brown hinüber, der nickte und ein Chromkästchen aus der Brusttasche zog. Er stellte es behutsam zwischen Hubbard und mir auf den Tisch, ging wieder ans Tischende und verschränkte die Hände auf dem Rücken wie ein Ministrant, der gerade ein sehr bedeutsames Zeremoniell zufriedenstellend absolviert hat.
    Ich starrte das Kästchen an, als erwartete ich, daß es mich anspreche. Eine durchaus clevere Erwartung, denn genau das tat es, nachdem Hubbard auf einen Knopf an der Seite gedrückt hatte.
    Hintergrundgeräusche ertönten, Zellophanknistern, Gläserklirren, das Anratschen eines Streichholzes, weiter weg Verkehrslärm und andere Laute, die man im Freien zu hören bekommt, aber vor allem sprach das Kästchen. Es sagte folgendes, in zwei Stimmen. Steves und meiner:
     
    Ich:
Ich weiß, du wirst mich für wahnsinnig halten. Aber im Moment bin ich richtig glücklich.
    Steve:
Ach ja? Wieso denn das?
    Ich:
Das würdest du doch nicht verstehen.
    Steve:
Kommt auf den Versuch an.
    Ich:
Ich bin glücklich, weil du vorhin gesagt hast, du hättest noch nie von Adolf Hitler gehört.
    Steve:
Und das macht dich gleich glücklich?
    Ich:
Du kannst dir nicht vorstellen, was das für mich bedeutet. Du hast noch nie die Namen Hitler oder Schicklgruber oder Pölzl gehört. Du hast noch nie von Braunau gehört, du hast noch nie …
    Steve:
Braunau?
    Ich:
Braunau am Inn in Oberösterreich. Das sagt dir nichts, und deswegen bin ich der glücklichste Mensch der Welt.
    Steve:
Freut mich für dich.
    Ich:
Du hast noch nie von Auschwitz oder Dachau gehört. Du hast noch nie von den Nazis gehört. Du hast noch nie von …
     
    Hubbard schaltete das Kästchen ab.
    »Langsam kommen wir der Sache näher. Braunau liegt also nicht in Deutschland selbst, sondern in einer seiner Provinzen. Es liegt in Österreich, noch genauer, in
Ober
österreich. Das hilft uns doch ein großes Stück weiter, finden Sie nicht auch?«
    »Wenn Sie die ganze Zeit wußten, wo Braunau liegt«, sagte ich, »warum wollten Sie mich dann verladen?«
    »Ich glaube, die Frage darf ich mit Fug und Recht umdrehen, Mikey: Wenn
Sie
die ganze Zeit wußten, wo Braunau liegt, warum wollten Sie
uns
dann verladen?«
    »Das nennt man Patt, was?« sagte ich.
    Hubbard sah mir unverwandt in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick und versuchte, in dem sanften Schokoladenbraun Motive und Absichten zu erkennen.
    »Und was Hitler angeht«, sagte er, »so wissen Sie, daß Hitler kein Ort ist. Sie wissen, daß es ein Männername ist. ›Adolf Hitler‹, sagten Sie. Wer mag dieser Adolf Hitler wohl sein?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und wie steht’s mit Auschwitz? Was ist das?

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