Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
fuhr mir verwirrt durchs Haar. »Ich verstehe nicht, was die Namen überhaupt bedeuten könnten.«
    Beim Geräusch eines Autos in der Auffahrt spitzte Hubbard die Ohren. »Entschuldigen Sie, Mike. Ich bin sofort wieder da«, sagte er und stand auf. Er nickte Brown zu, verließ den Speisesaal und zog die Tür hinter sich zu. Kurz darauf hörte ich das Auf- und Zuschlagen der großen Eingangstür und gedämpfte Stimmen im Vestibül.
    Allein mit Brown, dem nicht nach Reden zumute zu sein schien, versuchte ich, mir auf das Gehörte einen Reim zu machen.
    Professor Taylor. Es mußte mit ihm zu tun haben. Wenn Europa und die Vereinigten Staaten im Kalten Krieg lagen – und nach allem, was ich bislang erfahren hatte, mußte das der Fall sein –, dann konnte Taylor ohne weiteres ein pro-amerikanischer Dissident sein. Das hiesige Gegenstück zu Solže nicyn oder Gordievsky, dem es eines Tages gelungen war, sich in die Vereinigten Staaten abzusetzen. Vielleicht spielteer von Zeit zu Zeit der CIA oder sonst einer Organisation, für die Hubbard und Brown arbeiteten, Leckerbissen zu. Taylor war vielleicht zu Ohren gekommen, daß da ein Student Knall auf Fall angefangen hatte, wie ein Engländer zu sprechen. Er hatte ihn sich vorgeknöpft, Lunte gerochen und seinen Herren in Washington empfohlen, diesen Michael Young zu observieren und aufzugreifen.
    Aber warum interessierten sie sich bloß für den Namen Hitler? Ich preßte die Hände an die Schläfen und drückte meinen Kopf zusammen, als könnte ich mein Gehirn damit auf Trab bringen. Das hatte doch alles keinen Sinn.
    »Kopfschmerzen?« fragte Brown mitfühlend.
    »Ja, irgendwie«, sagte ich und blickte hoch. »Wie man sich halt fühlt, wenn man nirgends mehr durchblickt.«
    »Sie brauchen uns nur alles zu erzählen, was Sie wissen. Für den mangelnden Durchblick sorgen wir dann schon … ist doch schließlich unser Job.«
    »Komisch«, sagte ich, von seiner Freundlichkeit überrascht. »Ich dachte, Sie wären hier der Böse.«
    »Wie bitte?«
    »Na, Sie wissen schon, die alte Verhörtechnik. Guter Bulle, böser Bulle. Ich war überzeugt, Sie würden den Bösen spielen.«
    Brown grinste verlegen. »Da brat mir doch einer ’n Storch, Söhnchen«, sagte er in übertriebenem Westernakzent, »ich hatte gedacht, wir wären beide ganz nett.«
    Die Tür des Speisesaals öffnete sich, und Hubbard erschien auf der Schwelle. »Sie haben Besuch«, sagte er und trat beiseite.
    Eine Frau mittleren Alters erschien, zwinkerte einen Augenblick im hellen Licht und stürzte dann mit ausgebreiteten Armen los.
    »Mikey! O Mikey, mein armer Kleiner!«
    Ich gaffte sie mit offenem Mund an. »Mutter?«
    Sie kam mit klingelnden Armbändern auf mich zu. »Bübchen,wir haben uns zu Tode geängstigt, seit wir das gehört haben. Warum hast du uns denn nicht angerufen?«
    Sie umarmte mich, ich spürte ihre weiche gepuderte Wange und ließ ihre Liebkosungen über mich ergehen. Sie hatte leuchtend goldgefärbtes Haar und roch nach einem mir unbekannten, schweren und fruchtigen Parfum, aber es war eindeutig meine Mutter, daran gab es gar keinen Zweifel. Ich blickte ihr über die Schulter und sah einen Mann langsam in den Saal hinken.
    »Mein Gott«, flüsterte ich, »Vater, bist du das?«
    Als ich meinen Vater das letzte Mal gesehen hatte, war ich zehn Jahre alt gewesen. Er war weder kahl noch gebrechlich oder gebeugt. Er war stark, aufrecht und gutaussehend, ganz so, wie sich ein Kind sein Leben lang an den früh verstorbenen Vater erinnert.
    Er warf mir einen flüchtigen Blick zu. »Hallo, Sohn«, sagte er, sah Hubbard an und nickte.
    »Sind Sie sicher, Sir?« fragte Hubbard. »Absolut sicher?«
    »Ich werde doch wohl meinen eigenen Sohn erkennen!«
    »Natürlich ist das Mike«, sagte meine Mutter und strich mir übers Haar. »Was ist passiert, Bübchen? Sie haben uns erzählt, du hättest einen Unfall gehabt. Warum hast du bloß nicht angerufen?«
    Beide klangen waschecht amerikanisch. Ich wollte nicht sprechen und sie mit meiner britischen Aussprache in Angst und Schrecken versetzen. Ich suchte nach akzentneutralen Worten. Worten ohne allzu viele »r«s und »a«s.
    »Mein Kopf«, flüsterte ich. »Gestoßen.«
    »Mein armer Kleiner! Warst du beim Arzt?«
    Ich nickte tapfer.
    »Mr. Hubbard«, schaltete sich mein Vater ein. »Wären Sie wohl so gut, mir zu erklären, wie Sie auf die absurde Idee verfallen konnten, dies sei nicht mein Sohn? Und warum Sie uns mitten in der Nacht mit einem Regierungswagen

Weitere Kostenlose Bücher