Gesetz der Lust
beide davon überrascht waren. Tory rieb mit dem Unterarm über ihren Mund und sah ihn böse an. “Wag es nicht, noch einmal in meine Nähe zu kommen.” Ihre Stimme klang eisig.
Marc hob das Gewehr auf und sah nach, ob Sand in die Mechanik eingedrungen war. Über die Schulter hinweg sah er sie an. “Hat es sich nicht gelohnt, deine Jungfräulichkeit zu verlieren, um deinen kostbaren Bruder zu retten?”
Tory keuchte auf. “So war es nicht”, erklärte sie wütend und machte einen Schritt auf ihn zu.
Wut und Ablehnung stiegen in ihm auf, weil es ihr gelungen war, sich in sein Herz zu stehlen und seine Abwehr zu durchbrechen. “Ich gebe dir zehn Sekunden, um deinen verräterischen kleinen Hintern zurück ins Lager zu befördern.” Mit kaltem Blick betrachtete er sie.
“Ich will doch nur wissen …”
“Drei.”
“… nur wissen, warum du …”
“Vier.”
“Bitte! Hör auf damit …”
“Fünf.”
“Hör auf! Bitte! Sag mir nur, was ich …”
“Sieben. Acht. Neun. Los!”
Nicht sein schneidender Ton war es, der sie dazu brachte, seinem Befehl zu folgen. Es war die Kälte in seinen Augen, die sie vertrieb.
Das Lager war noch genauso, wie sie es verlassen hatten. Mit schnellen Bewegungen faltete Victoria die Decken zusammen und verstaute sie hinter dem Rucksack, dabei biss sie wütend die Zähne zusammen.
Wut war ein weitaus besseres Gefühl als Erniedrigung. Schnell zog sie sich an, für den Fall, dass er zurückkommen würde, dann machte sie sich eine Tasse Kaffee und lehnte sich gegen die Wand.
Sie hätte es wissen müssen. Aber Marc Savin weckte Gefühle in ihr, die sie nie zuvor gekannt hatte. Die meisten davon gefielen ihr nicht.
Es war gar nicht ihre Art, die Nerven zu verlieren. In Marcs Nähe hatte sie die Nerven schon so oft verloren, dass sie es kaum noch zählen konnte. Sie schämte sich dafür, dass sie ihn schon zweimal geschlagen hatte.
Diese ganze Sache verwirrte sie. Am schlimmsten jedoch war, dass sie den Mann, der ihren Bruder retten sollte, nicht lieben wollte. Doch sie liebte ihn. Es war vielleicht nicht vernünftig, doch sie konnte nichts dagegen tun.
Ihre Meinungsverschiedenheiten waren zu groß, um eine Einigung zu finden. Wenn alles vorbei war, würde sie nach San Diego zurückkehren und ihr altes Leben wieder aufnehmen. Sobald sie aus seiner Nähe war, würde er sie vergessen. Wenn dieses Abenteuer erst einmal vorbei war, würde sie Marc Savin nie wiedersehen – wenn sie das Abenteuer überhaupt überlebte.
Später würde sie an diese Augenblicke mit Marc zurückdenken, sie würde sie in ihrem Herzen behalten. Sie wünschte, sie könnte ihn verstehen. Seine Wut hatte sie erschreckt und erstaunt. Das Beste, was sie tun konnte, war, die Dinge so zu nehmen, wie sie kamen. Wenn er so tun wollte, als hätten sie nie miteinander geschlafen, dann musste sie es akzeptieren.
Tory klopfte sich den Sand von den Leggings und stand auf. Sie war hungrig, und es war möglich, dass Marc den ganzen Tag nicht zurückkam.
Sie stellte den kleinen Kocher auf und griff wahllos nach einer der Dosen. Es machte keinen Unterschied, was sie aß, die Gerichte schmeckten sowieso alle gleich.
Das Essen schmeckte scheußlich, doch es vertrieb ihren Hunger, und die Zeit verging so ein wenig schneller. Als Nächstes leerte sie Marcs Rucksack aus und staunte über die Sachen, die er mitgebracht hatte. Er war wirklich auf alles vorbereitet. Mehrere Pistolen fand sie in dem Rucksack, gefährlich aussehende Messer, etwas, das aussah wie eine Schleuder, eine Schaufel und eine Menge anderer Dinge, die sie nicht kannte.
Tory faltete das halbe Dutzend schwarzer T-Shirts und die Socken und verstaute sie dann in dem Rucksack. Den Kompass und einige Karten von Marezzo legte sie schließlich obenauf in den ordentlich aufgeräumten Rucksack, damit sie wusste, wo sie alles finden konnte.
Sie nahm die Seife und all die schmutzigen Sachen und brachte sie an den See. Sie war dankbar, dass sie etwas tun konnte, um ihre Gedanken von Marc abzulenken. Es war ziemlich warm in der Höhle. Wenn sie die Sachen gut ausdrückte, würden sie sicher schon in ein paar Stunden trocken sein. Sie legte die gewaschenen Sachen auf die Felsen am See und ging dann in das Lager zurück.
Seufzend sah sie sich um. Alles war aufgeräumt, es gab nichts zu tun. Auf ihrem Weg vom See zurück zum Lager war sie zum Eingang der Höhle gegangen, doch Marc war nicht da gewesen. Wohin konnte er gegangen sein? Sie legte sich hin, mit
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