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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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wieder ins Haus zurückkehrten, verbrachten wir den restlichen Nachmittag damit, uns den Ablauf zu erzählen, wobei wir uns über den Tisch hinweg, an dem wir saßen, immer wieder tröstend die Hände reichten.
    (Eine Notiz, die später am Abend, gegen einundzwanzig Uhr verfasst wurde: »Achtzehn Uhr dreißig. Clara wieder gefasster. So nahe sie Axel auch gestanden haben mag, der kleine liebende Mann, der ihr das Leben gerettet hat, gehört einer fernen Welt an, der fernsten aller Welten. Gewiss wird sie ihn für immer in Erinnerung bewahren, aber ohne allzu heftigen Kummer. Naja, ich bin mir gar nicht so sicher: ferne Welt, fernste aller Welten? Und trotzdem ist Axel in Claras Garten nach Saint-Maur gekommen um vor ihren Augen, beinahe vor meinen, zu sterben und ihr »Die Geschichte mit Clara«, das letzte Kapitel seiner Memoiren zu schenken, in einer ebenso theatralischen wie herzzerreißenden Geste der Liebe … was sollte man davon halten? Der Graphologe würde sicher das letzte Wort haben.«)
    Um neunzehn Uhr setzten wir uns, noch ganz erschöpft von den Aufregungen des Tages, vor den Fernseher.
    Lokalnachrichten.
    Und da … ich erbebe bei dem, was ich gleich enthüllen werde!
    Eine letzte Überraschung, ein letzter Schock für mich (der schlimmste vielleicht), der bereits erwähnte »furchtbare Ausgang, der auf alles andere folgte« und den ich Clara nur mit Mühe verbergen konnte (ich, Clara etwas verbergen! Nun ja, ich wurde ein zweites Mal dazu gezwungen): Ich erfuhr von Irène Perkings Tod, sie war am frühen Morgen im Becken des Jardin des Tuileries gefunden worden war, von einer Kugel ins Herz getötet. (»Die genauen Umstände ihres Todes sind im Augenblick vollkommen rätselhaft.«)
    Auf was für eine Geschichte, sagte ich mir, auf was für ein Geschichte hatte sich die argwöhnische, wehleidige (aber auch vertrauensselige, naive und verrückte!) Irène so kurze Zeit nach unserer Trennung eingelassen (eben: so kurze Zeit nach unserer Trennung, genau das war für mich der vernichtende Schlag), dass ihr junges Leben auf diese Weise in der Sackgasse erbarmungsloser Klatschspalten endete?
    Und das war noch nicht alles. Nein, das war nicht alles, es folgte noch der wahre Todesstoß …
    Die Autopsie hatte ergeben, dass Irène Maggie Perking in ihrem Schoß einen zwölf Tage alten Fötus trug.
    So hatte also eine wundersame Kraft in Irenes Organismus über den medizinischen Urteilsspruch der Unfruchtbarkeit gesiegt – und in unserer ungewöhnlichen Vereinigung – wie entstanden, so vergangen – diese Leibesfrucht gezeugt!
    Ich verzichte darauf, die Erschütterungen zu beschreiben, die mir Herz und Seele auf den Kopf stellten.
    Ich musste gleich an Marie denken.
    Hatte der Tod von Irène und ihrem Kind, unserem Kind, sie endlich befreit (Marie) – dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf! –, hatte er Marie endlich von dem Übel befreit, das so hartnäckig war, dass ich gelegentlich fürchtete, sie könne es mit ins Grab genommen haben, jenes Übel, das an ihr haftete, nein, mit ihr verschlungen war, mein Gott, mein Gott! War jenes Übel, das sie umgebracht hatte, endlich tot und hörte auf sie zu verfolgen? Aber ich weiß gerade nicht, worauf ich eigentlich hinaus will, ich habe Angst – wovor? –, mein Geist verwirrt sich – ich bitte um die Gunst, den Absatz von vorn beginnen zu dürfen und in einem Schwung nicht das aufzuschreiben, worauf ich hinaus will, das weiß ich nämlich nicht, sondern warum ich es nicht sagen kann, nun denn: Als ich die schreckliche Nachricht erfuhr, wurden mein Skelett und mein Fleisch von wer weiß welchem inneren Windstoß durchgerüttelt, der sich einen schmerzhaften Weg aus den Tiefen meines Wesens bis an meine Lippen bahnte und ihnen die Erregung einer stummen, unaussprechlichen, aber fieberhaften Sprache aufþragte (stellen Sie sich einmal mehr meine bedröppelte Miene vor: Ich konnte mich noch glücklich schätzen, dass Clara mich in dieser Minute nicht weiter beachtete), sodass es mir schien, als würde ich darum flehen, mit heiler Haut davonzukommen, indem ich mich Punkt für Punkt, ohne einen einzigen auszulassen, für eine unendlichkomplexe Sünde rechtfertigte, während der Henker sein Beil bereits erhoben hatte!
    Dann fühlte ich mich besser. Mein Unbehagen verflog, und ich war von der Gewissheit durchdrungen, dass es so bald nicht wieder Zuflucht in meinem Schädel suchen würde, obwohl mich einen Augenblick zuvor noch die entgegengesetzte Gewissheit mit

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