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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Der Regen
prasselte auf ihn nieder, und ein junger Polizist verarztete ihn,
deckte die Schramme an der Schulter mit Mull ab, klebte den Mull mit
Heftpflaster fest.
    Als der Polizist Marlowes Hände mit
Jod betupfte, durchflutete ihn der Schmerz wie eine große Welle,
doch er merkte es kaum. Er konnte sich nur auf einen Gedanken
konzentrieren. Daß Jenny O'Connor ein falsches Spiel mit ihm
getrieben hatte. Daß sie ihn von Anfang an hinters Licht
geführt hatte. Daß sie für Papa Magellans Tod
verantwortlich war. Und er hatte die entsetzliche Gewißheit,
daß er sie umbringen würde.
    12

    Marlowe stand vor der Haustür und beobachtete, wie die
Streifenwagen durchs Tor fuhren und auf die Straße bogen. Das
Motorengeräusch verhallte in der Ferne. Er zündete sich eine
Zigarette an – unbeholfen, weil seine Hände dick verbunden
waren – und trat in den Regen hinaus.
      Als er zur Scheune ging, rief jemand seinen Namen. Mac
kam aus dem Vorbau und rannte ihm nach. Marlowe lief weiter. Er war am
Scheunentor, als der Jamaikaner ihn einholte. Mac zog ihn am Arm.
»He, Mann, wo willst du hin?«
      Marlowe riß sich los und ging zur Werkbank. Er
zog mehrere Schubladen auf und durchstöberte sie. Dann brummte er
zufrieden und nahm ein Paar schwere, lederne Autohandschuhe an sich.
»Die kriege ich gerade noch an«, sagte er.
      Mac runzelte die Stirn. »Was ist, Hugh? Du bist irgendwie so komisch, seit wir wieder da sind.«
      Marlowe zuckte unwillig die Achseln. »Mit mir
ist alles in Ordnung«, sagte er. »Mach dir nur keine
Gedanken. Wie geht es Maria?«
      Der Jamaikaner lächelte. »Die steht in der
Küche und macht was zu essen. Mann, sie hat sich wirklich gut
gehalten. Die meisten Frauen wären nach dem, was sie hinter sich
hat, völlig geschafft.« Er nickte gewichtig. »Das ist
ein patentes Mädchen.«
    Marlowe starrte ins Leere und zog die
Handschuhe an. »Ja, sie ist ein lieber Kerl«, sagte er.
»Der Mann, der sie mal kriegt, kann froh sein.« Er
schüttelte wie betäubt den Kopf und fuhr fort:
»Weißt du zufällig, wo Monaghan wohnt?«
      Mac nickte. »Sicher. In der Grey Goose. Das ist
ein Pub in der Dover Street, nicht weit weg vom Platz.« Er
runzelte die Stirn. »Warum willst du das wissen?«
      Marlowe setzte ein gekünsteltes Grinsen auf und
klopfte dem Jamaikaner auf die Schulter. »Ist nichts
Wichtiges«, sagte er. »Ich will bloß ein paar Worte
mit ihm reden.«
      Er wandte sich dem Lastwagen zu, und Mac packte ihn
beim Arm. »Willst du tatsächlich nur mit ihm ein paar Worte
reden? Oder hast du's in Wirklichkeit auf Jenny O'Connor
abgesehen?«
      Marlowe drehte sich wild um. »Hör mir gut
zu«, sagte er. »Papa Magellan ist nicht am Steuer
eingeschlafen. Jemand hat dafür gesorgt, daß seine Bremsen
nicht funktionieren. Und für mich ist das Mord. O'Connor hat
vielleicht alles gesteuert, aber sie hat mit ihm zusammengearbeitet,
sie hat mich zum Narren gehalten. Sie muß gewußt haben, was
O'Connor vorhatte. Und damit hat sie genausoviel Dreck am Stecken wie
er.«
      Er kletterte ins Fahrerhaus, schlug die Tür zu.
Als er den Motor anließ, stieg Mac aufs Trittbrett und sagte
beschwörend: »Wenn das stimmt, ist es ein Fall für die
Polizei. Du hättest es Alpin erzählen sollen.« Er
schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht auf eigene Faust Rache
nehmen, Mann. Sonst baumelst du genauso wie Jenny O'Connor.«
      Marlowe versetzte ihm einen Stoß vor die Brust.
Mac taumelte gegen die Mauer. »Tut mir leid, Mac«, sagte
Marlowe. »Das ist meine Sache, und ich mache das so, wie ich
will. Kümmere du dich um Maria.« Er brachte den Motor auf
Touren und fuhr aus der Scheune, bevor der Jamaikaner etwas darauf
erwidern konnte.
    Es dunkelte, als er in Barford ankam, und
der heftige Regen machte die Sicht noch schlechter. Er fand die Dover
Street ohne Schwierigkeiten. Ein beleuchtetes Schild, das im Wind
über dem Bürgersteig schwankte, wies ihm den Weg zur Grey
Goose.
      Als er näherkam, sah er einen gelben Lieferwagen
vor der Tür zum Pub. Monaghan stieg gerade ein. Der Lieferwagen
fuhr rasch vom Bordstein weg. Marlowe gab Gas und folgte ihm.
      Er fragte sich, wohin Monaghan wollte. Vielleicht zu
Jenny O'Connor? Aber das glaubte er nicht. Es war eher zu erwarten,
daß der Ire das sinkende Schiff verließ, solange er noch
die Möglichkeit hatte.
      Der Lieferwagen bog auf den Bahnhofsplatz und hielt.
Monaghan stieg aus. Marlowe parkte hinter ihm und sprang aus dem
Fahrerhaus.

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