Gesprengte Ketten
die sie abschreiben musste, ziemlich weit voran. Als sie eine Pause einlegte, überlegte sie, ob sie nicht doch mit Jannic am Abend ins Kino gehen sollte. Warum eigentlich nicht? Ein Abend außer Haus würde ihr gut tun. Dr. Marquard hatte ihr gesagt, dass sie sich etwas Ruhe gönnen sollte. Sie war sich nicht sicher, ob dazu ein Kinobesuch zählte, aber alles war besser, als den Abend daheim zu verbringen.
Jannic Eckstein freute sich aufrichtig, die Stimme seiner Freundin zu hören. "Fein, dass du vernünftig geworden bist, Liebling", meinte er. "Ich werde dich um sieben Uhr abholen."
"Ich freue mich auf unseren gemeinsamen Abend", antwortete Laura.
"Laura, Liebling, du weißt, wie sehr ich dich liebe" sagte Jannic. "Und ich zweifle nicht daran, dass auch du mich liebst, trotzdem fühle ich mich manchmal wie das fünfte Rad am Wagen."
"Das wirst du niemals sein", versprach die junge Frau.
Gegen fünf war es mit der Ruhe vorbei. Günther Ravens steckte den Kopf durch die Tür des Arbeitszimmers. "Du könntest dich um den Kaffee kümmern, Laura", meinte er.
"In ein paar Minuten, Papa", erwiderte sie. "Du kannst in der Zwischenzeit die Kaffeemaschine einscha lten."
Ihr Vater schüttelte den Kopf. "Nein, das überlasse ich lieber dir. Ich habe es nicht so mit der Technik in der Küche. Ich bringe deine Mutter auf die Terrasse. Bei dem schönen Wetter können wir draußen sitzen."
Laura war sich sicher, dass ihre Mutter auch ohne Hilfe auf die Terrasse gehen konnte. Sie war keineswegs so hilflos, wie sie sich gern gab. Leider wollte sie nicht einsehen, dass sie sich mehr bewegen musste. Die junge Frau beschloss, nicht darüber nachzudenken. Ändern konnte sie es ohnehin nicht.
Als Laura mit dem Kaffee auf die Terrasse trat, waren ihre E ltern gerade in ein Gespräch über den Garten vertieft. Der Garten war die große Leidenschaft ihres Vaters. Schon früher hatte er jede freie Minute im Garten verbracht. Sie besaßen den schönsten Garten weit und breit. Ihr Vater wurde oft von Freunden aufgefordert, ihnen zu helfen.
Die junge Frau wunderte sich, dass er den Tisch gedeckt hatte, so etwas tat er für gewöhnlich nicht.
"Wir überlegen, ob wir nächstes Jahr nicht den Teich vergrößern sollten", sagte Gertrud Ravens. "An und für sich bin ich mehr für einen Wintergarten. Was denkst du darüber, Laura?"
"Mir würde ein Wintergarten gefallen", antwortete sie, wä hrend sie den Kaffee einschenkte. "Es ist schön, im Wintergarten zu sitzen und dem Fallen der Schneeflocken zuzuschauen."
"Ja, das meine ich auch." Ihre Mutter nahm sich ein Stück Butterkuchen.
Günther Ravens schaute nachdenklich auf den Gartenteich, der sich rechts der Terrasse erstreckte. "Vielleicht sollten wir beides in Angriff nehmen. Im Herbst bekomme ich eine meiner Lebensversicherungen ausbezahlt. Das Geld für die beiden Projekte wäre also vorhanden." Er griff nach seiner Kaffeetasse. "Wie ich dich kenne, brennst du darauf, an deine Arbeit zurückzukehren, Laura. Also sollten wir uns nach dem Abendessen Gedanken über den Wintergarten machen. Wir könnten eine Skizze anfertigen, die ich dann einem Architekten übergebe."
Laura trank ihren Kaffee aus. "Heute Abend geht es nicht, P apa", erwiderte sie. "Jannic holt mich um sieben Uhr ab. Wir gehen ins Kino."
"Muss das denn sein, Laura", fragte ihre Mutter. "Du hast den ganzen Tag über kaum Zeit für uns und nun bist auch abends nicht da, wenn wir mal gemütlich zusammensitzen könnten."
Die junge Frau stand auf. "Ich bin schon lange nicht mehr mit Jannic ins Kino gegangen. Ich kann ihm nicht immer einen Korb geben." Sie griff nach ihrer Tasse und ihrem Unterteller, um sie in die Küche zu tragen.
Sehr lange konnte sich Laura nicht mehr an ihren Computer setzen, um weiter an der Doktorarbeit zu schreiben. In aller Eile bereitete sie das Abendessen vor und deckte den Tisch im Es szimmer. Während sie den Salat schnitt, aß sie ein Käsebrot. Danach putzte sie sich rasch die Zähne und ging in ihr Schlafzimmer, um sich für den Abend mit Jannic zurechtzumachen.
Pünktlich um sieben Uhr fuhr Jannic Eckstein vor. Laura b efand sich gerade auf der Treppe, als sie seinen Wagen hörte. Ihre Eltern saßen im Wohnzimmer und schauten sich einen Kurzkrimi an. "Ich werde so gegen elf Uhr zurück sein", sagte sie. Es klingelte. Sie hörte, wie Charlotte die Haustür öffnete. "Auf Wiedersehen", wünschte sie, winkte ihren Eltern zu und kehrte ins Treppenhaus zurück.
Charlotte und Jannic standen
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