Gesprengte Ketten
auf Sophies Schulter. "Komm mit ins Wohnzimmer, ich lese dir eine Geschichte vor. Und du auch, Amos."
Amos erhob sich so schwerfällig, als sei er kein junger Hund, sondern hätte sein zwölftes Lebensjahr längst überschritten. Er warf seinem Herrchen einen letzten vorwurfsvollem Blick zu, bevor er den beiden Mädchen folgte.
Dr. Marquard und seine Frau verließen das Haus. Sie wussten ihre Töchter bei Anna gut aufgehoben. Bester Laune fuhren sie in die Innenstadt von Burghausen, stellten ihren Wagen im Parkhaus ab und wandten sich der Fußgängerzone zu, die vor dem Rathaus b egann.
Im Foyer des Kinos trafen sie Laura Ravens und Jannic Ec kstein. Die jungen Leute saßen an einem Tisch gegenüber der Kasse und tranken Latte macchiato. Grüßend nickte der Arzt ihnen zu.
"Kennst du die Frau an der Seite von Herrn Eckstein?", erku ndigte sich Laura.
"Frau Ravens ist eine neue Patientin."
"Sie ist sehr hübsch."
Die Lippen des Arztes umhuschte ein Lächeln. Obwohl er La ura noch nie einen Grund zur Eifersucht gegeben hatte, vermutete sie in jeder hübschen Patientin eine Rivalin. "Wie du siehst, ist Frau Ravens vergeben." Unauffällig blickte er zurück. Laura und Jannic standen auf und stiegen die Treppe zum Vorführraum hinauf.
Laura und Julian Marquard hatten kaum ihre Sitze gefunden, als sich der Vorführraum auch schon verdunkelte. Der Arzt b emerkte, dass Frau Ravens und ihr Freund zwei Reihen vor ihnen Platz nahmen. Wie schützend legte Jannic Eckstein seinen Arm Lauras Schultern.
Dr. Marquard hatte sich unter dem Titel des Films 'Unter der Sonne der Toskana' an und für sich nichts vorstellen können, doch schon bald merkte er, dass ihn der Film genauso faszinierte wie seine Frau. Der Film war als Komödie angekündigt worden, o bwohl es sich um ein sehr ernstes, aktuelles Thema handelte. Eine junge Frau muss feststellen, dass sie von ihrem Mann betrogen wird. Sie fällt in ein tiefes Loch, aus dem sie erst wieder herausfindet, als sie erkennt, dass das Leben für sie noch lange nicht zu Ende ist, sondern viele Überraschungen bereithält.
"Was für ein wunderbarer Film", bemerkte Laura, als sie später Arm in Arm durch die Burghausener Altstadt bummelten. "Er hat mich auf eine ganz besondere Art und Weise beza ubert."
"Mir hat der Film auch sehr gut gefallen", erwiderte ihr Mann. "Hast du Lust, noch einen Cappuccino zu trinken?" Er wies auf das Straßencafé, an dem sie gerade vorbeikamen.
"Wenn ich so nett eingeladen werde, sage ich nicht nein." Laura schmiegte sich an ihn. "Es ist schön, mit dir zusammen zu sein, Julian."
"Hast du etwas anderes erwartet, Liebling?", scherzte er.
Sie wählten einen Tisch vor dem mit künstlichen Blumen verzierten Zaun, der das Café zur Straße hin abgrenzte. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ihnen der Kellner zwei Tassen Cappuccino und eine Schale mit Schokoladentäfelchen brachte. In aller Ruhe tranken sie ihren Kaffee und beobachteten dabei die Leute, die am Café vorbeigingen. Auch Laura und Jannic gehörten dazu. Selbstvergessen schlenderten die jungen Leute über den Rathausplatz.
Seitlich des Cafés gab es eine Kneipe. Sie lag genau in Julian’ Blickwinkel. "Sieh an, wen wir da haben", flüsterte er seiner Frau zu. "Unsere liebe Frau Wolf und ihren Mann."
"Die beiden scheinen ziemlich angeheitert sein, gelinde ausgedrückt", meinte Laura belustigt.
"Und dabei hat sie heute Morgen in meiner Praxis behauptet, kaum noch etwas zu trinken", sagte Dr. Marquard. Gut gelaunt winkte er grüßend zu den Wolfs hinüber. Beide taten, als würden sie es nicht bemerken.
Es ging auf halb zwölf zu, als Dr. Marquard und seine Frau nach Hause kamen. Amos, der es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatte, sprang vom Sessel und rannte zur Haustür. Voller Freude wedelte er mit dem Schwanz und gab leise, winselnde Laute von sich. Er wusste sehr genau, dass er um diese Zeit nicht mehr zu bellen hatte.
Kaum hatte der Arzt die Haustür aufgeschlossen, sprang ihm sein Hund auch schon entgegen und begrüßte ihn und Laura so enthusiastisch, als hätten sie sich seit Wochen nicht mehr ges ehen.
Anna Eckstein kam aus dem Wohnzimmer. "Nah, wie war der Film?", erkundigte sie sich.
"Einfach wunderbar", sagte Laura. "Du solltest ihn dir auch anschauen."
"Ja, da kann ich meiner Frau nur zustimmen." Dr. Marquard drückte Anna das Geld fürs Babysitten in die Hand und legte noch ein paar Euro für eine Kinokarte dazu. "Ich werde dich erst einmal nach Hause bringen." Er
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