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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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Gesamtkoordination innehat, über das Funkgerät das Kommando, und während auf dem Friedhof die Totenglocke geläutet wird, startet unser Bestattungswagen etwa 300 Meter entfernt in einer Seitenstraße seine Fahrt. Die Sichtblenden haben wir entfernt, so dass man einen ungehinderten Blick auf den Sarg mit den Blumen werfen kann.
    Langsam nähert sich das Fahrzeug, und als es sichtbar wird, verstummt auch jegliches Palaver. In einer stummen Prozession schließen sich nach und nach über 300 Biker und Bikerinnen dem Bestattungsauto an, angeführt vom Pfarrer, der Familie und den engsten Freunden des Verstorbenen. Einige Bikergruppen tragen Kränze, Blumengestecke in Herz- und Kreuzform, und eine der Abordnungen trägt eine etwas zerfetzte Jeansjacke wie eine Reliquie: die Kutte des Verstorbenen mit den Colors, wie man mir später erklärt, also dem Abzeichen und den Farben seines Clubs.
    Während der Bestattungswagen eine Ehrenrunde um das große Rondell mit dem acht Meter großen Jesuskreuz dreht, bekommen die Trauergäste jeweils ein Blumensträußchen und einen Zettel mit Gebetstexten in die Hand gedrückt. Darum hat der Pfarrer gebeten, weil er sich nicht sicher ist, ob alle wohl die gängigen Gebete so genau kennen.
    Inzwischen wird die Klappe des Bestattungswagens geöffnet und der Sarg von unseren Mitarbeitern auf einen Katafalk gestellt. Danach fährt der Bestattungswagen langsam weg. Eine Abordnung des Motorradclubs, sechs Mann, nimmt den Sarg auf die Schultern und marschiert über den breiten Mittelweg des Friedhofs zum südlichen Teil, zum Grab. Während des ganzen Weges läutet die Totenglocke und abgesehen vom eintönigen Bimm-Bimm der Glocke und dem Knirschen der Motorradstiefel auf dem Kies des Weges ist es totenstill.
    Am Grab angekommen, übernimmt der Pfarrer mit kurzen Handzeichen das Kommando, wir sortieren die Gäste ein, so dass möglichst viele etwas sehen können. Ein bisschen komme ich mir wie ein Einweiser auf einem großen Parkplatz vor. Trotzdem dauert es deutliche zehn Minuten, bis alle ordentlich untergebracht sind.
    Die Totenglocke ist inzwischen verstummt, und dann beginnt der Pfarrer seine kurze Ansprache. Vorne am Grab haben wir ein Standmikrofon aufgestellt; ich hasse es, wenn da vorne einer redet und man nichts hört.
    Nach dem Pfarrer treten etliche Freunde, auch der Präsident und der »hangman« (was immer das auch ist) seines Clubs vor und sprechen ebenfalls ein paar Worte. Ich sage euch, auch Rocker können weinen!
    Dann erst wird der Sarg in die Grube abgelassen, und der Pfarrer spricht die Aussegnungsworte. Dank der ausgeteilten Zettel können dann alle gemeinsam mit ihm beten.
    Der nachfolgende Teil ist der ergreifendste. Einer nach dem anderen treten die Anwesenden vor und werfen ihre Blumensträußchen in das Grab. Dreimal muss »Born to be wild« gespielt werden, jeweils mit einer Pause dazwischen, bis alle durch sind.
    Insgesamt dauert es deutlich über eine Stunde, bis die Biker den Friedhof wieder verlassen haben. Vor dem Tor warten zwei Polizeimotorräder und ein Streifenwagen. Die Geräuschkulisse, als die ganzen Maschinen anspringen und hinter den Polizeifahrzeugen herfahren, ist unbeschreiblich!
    Noch Minuten später hing der typische Benzingeruch von Motorrädern in der Luft.

    Ich glaube, es ist eine gute Sache, dass das Vereinsheim dieses Motorradclubs in einer ehemaligen Fabrik weit vor der Stadt liegt, denn das Fest zu Ehren des verstorbenen Bikers sollte bis in die frühen Morgenstunden gehen. Fast habe ich es ein bisschen bedauert, dass ich der Einladung, da teilzunehmen, nicht gefolgt bin. Ich habe zwar auch ein Motorrad, aber die Welt dieser Motorradclubs ist mir doch zu fremd.

Eine Leiche im Keller
Bestatter zu sein, das heißt, dass man 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr Dienst hat. Zu jeder beliebigen Zeit kann das Telefon klingeln und ein Auftrag hereinkommen. Dann kann man nicht sagen: »Wir kommen Montagmorgen vorbei« oder »Wir haben jetzt schon geschlossen«, sondern dann muss man raus, egal ob es draußen schneit, hagelt, regnet oder ob es 40 Grad im Schatten sind. In früheren Zeiten bedeutete das auch, dass immer jemand zu Hause bleiben musste, damit das Telefon bewacht war. Seit es Handys gibt, haben wir es da leichter. Aber trotzdem: Egal ob Weihnachten oder Ostern, Gevatter Tod kennt keine Dienstzeiten und schlägt zu, wann es ihm beliebt, auch wenn in einer Familie gerade Geburtstag gefeiert wird.

    F amilie

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