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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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Geld auf den Tisch, das sie für die Bestattung übrig hat, und ich sehe sofort, dass das auf keinen Fall für ein Doppelgrab reicht. Egal wie ich auch rechne und wie viel ich ihr auch entgegenkomme, ich schaffe es mit dem wenigen Geld nicht, ihr das gewünschte Familiengrab zu ermöglichen.
    »Aber ich will doch zu meinem Paul ins Grab«, protestiert sie.
    Ich habe Mitleid mit der Frau und trockne ihre Tränen mit einem Taschentuch, aber ich weiß auch keinen Ausweg. Zu groß ist der Preisunterschied zwischen einem Reihengrab und einem Doppelgrab.
    »Und was ist, wenn ich gleich zwei Reihengräber nehme, eins für meinen Paul und eins später für mich, direkt daneben?«
    »Das geht nicht. Die Stadtverwaltung vergibt die Reihengräber der Reihe nach, deshalb heißen sie so – der Nächste, der stirbt, bekommt auch das nächste Grab«, kläre ich sie auf.
    Ein Reihengrab kostet 800 Euro, das günstigste Doppelgrab fängt bei 2500 Euro an. Außerdem müsste Oma Gretel nachweisen, wer nach ihrem Tod das Grab pflegen würde – man müsste also sogar noch einen Grabpflegevertrag abschließen. Für all das hat sie einfach nicht genug Geld. Ihr Mann war über 80, sie ist 78 und damit gerade noch nicht zu alt, um eine Sterbeversicherung abzuschließen. Dazu rate ich ihr, und wir sprechen lange über alles, denn wenn sie selbst mal stirbt, soll doch wenigstens für ihre eigene Beerdigung genügend Geld da sein, als das sie jetzt schon alles für ihren Paul ausgibt.
    So besprechen wir einerseits die Beerdigung von Opa Paul und andererseits ihre eigene Bestattung, doch wie wir es auch drehen und wenden – ein Doppelgrab springt nicht dabei heraus.
    Zähneknirschend und sich den Bestimmungen beugend, willigt Oma Gretel endlich ein, ihren Paul in einem Reihengrab bestatten zu lassen und selbst einmal später ein Reihengrab an einer ganz anderen Stelle des Friedhofes zu bekommen.
    Bis zum Tag der Beerdigung kommt Oma Gretel jeden Tag, um ihren Paul zu besuchen. Sie sitzt oft eine Stunde lang bei ihm, eine Decke über dem Schoß, damit es ihr nicht zu kalt wird, spricht mit ihm und weint sehr viel.
    Nach sechzig Jahren Abschied nehmen zu müssen, das ist schwer.

    Die Beerdigung verläuft dann ohne weitere Zwischenfälle und kann von uns abgehakt und verbucht werden. Die Rechnung ist bezahlt, und Oma Schellinger bezahlt auch pünktlich ihre Prämien für die Sterbeversicherung. Ein Jahr lang wird sie die mindestens zahlen müssen, damit die Versicherung überhaupt die komplette Beerdigung bezahlt, sonst gibt es nur die eingezahlten Beiträge oder einen Teil der Summe.

    Es sind etwa drei Monate vergangen, als Oma Gretel zu mir ins Büro kommt und mich sprechen will. Sie sitzt mir gegenüber, weint und erzählt mir, dass sie es nicht verkraften kann, nicht eines Tages neben ihrem Paul liegen zu können. Am liebsten würde sie ihn wieder ausgraben lassen und nun doch ein Doppelgrab nehmen.
    Das Geld für diese Aktion und für das Doppelgrab hat sie allerdings nicht. Wunschdenken, das unerfüllt bleiben muss, so bitter das auch ist und so leid mir die Frau auch tut.
    Ob ich nicht wenigstens mit ihr auf den Friedhof gehen könne, sie sei sich wegen des Grabsteins noch nicht sicher, und ich soll ihr doch beim Aussuchen helfen. Klar, das ist das wenigste, was ich tun kann, und so begleite ich sie.
    Das Wetter ist schön, und wir spazieren über den Friedhof. Meinen Arm, den ich ihr angeboten habe, hat Oma Gretel gerne genommen und sich bei mir eingehakt. Wir schauen uns zahlreiche Grabsteine an – bei dem einen gefällt ihr die Form, beim nächsten die Farbe und beim dritten die Schrift; ich notiere das und werde es dem Steinmetz so weiterleiten.
    Am Ende unseres Rundgangs über den Friedhof stehen wir vor dem Grab, in dem ihr Paul liegt, und sie beginnt, die wenigen Blumen etwas zurechtzuzupfen. Die Reihen der Gräber in diesem Feld liegen nicht neben-, sondern untereinander. Das bedeutet, dass am Fußende von Pauls Grab ein schmaler Weg ist, dann folgt das nächste Grab und so weiter.
    Pauls Reihe ist schon fast voll, bald werden die Friedhofswärter die nächste Reihe rechts daneben anlegen.
    Der Friedhofswärter kommt, er will mal sehen, was ich da mache – ständig haben die städtischen Bediensteten Angst, wir Bestatter könnten ihnen irgendwie ins Handwerk pfuschen. Das sagt er natürlich nicht, sondern nur, dass das Grab jetzt genügend gesackt sei und er bald Erde nachfüllen wolle, Frau Schellinger solle also bitte

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