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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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der Wand reißen oder Blumen umwerfen sollten. Auf jeder Etage blieb sie kurz stehen, wir mit der schweren Trage hinter ihr, damit sie den jeweiligen Nachbarn eben mal erzählen konnte, dass Frau Sowieso gestorben sei und wie die doch zuletzt gelitten hat und dass wir die Bestatter sind und dass die jetzt bei uns auf der Trage liegt und dass wir sie jetzt wegbringen. Nachdem sie das das dritte Mal erzählt hatte, stieg in mir der unbändige Wunsch auf, der Frau einfach einen kleinen Tritt zu geben, Platz hätten wir im Wagen noch gehabt!
    Schon viermal hatte ich ihr gesagt: »Das ist schwer hier, halten Sie uns bitte nicht auf!«
    Und jedes Mal hatte sie genickt und irgendwas wie »Bahn frei!« gerufen, blieb dann aber doch wieder an der nächsten Tür stehen.
    Als wir endlich unten waren, war sie offenbar so froh, dass wir nichts kaputt gemacht hatten, dass sie mir und dem Fahrer ein Trinkgeld geben wollte, jedem einen Euro. So was kommt manchmal vor, aber Münzen sind da eher selten. Jetzt haben wir beim Abtransport einer Leiche naturgemäß beide Hände voll, und ich hätte gar nicht gewusst, wie ich ihre Münze annehmen sollte. Gerade fuchtelte sie dem Fahrer mit dem Euro vor dem Gesicht herum, da fällt mir auf, was der für eine dicke Unterlippe hat. Wenn der die jetzt ein wenig vorstülpt, denke ich, könnte man den Euro … Ich muss mir wirklich Mühe geben, nicht zu lachen und Würde zu bewahren.
    Endlich sind wir am Auto und können die Trage hineinschieben, und endlich kann die Hausmeisterin dem Fahrer seinen Euro geben, dann kommt sie zu mir, drückt mir auch einen Euro in die Hand, hält kurz inne und fragt: »Sind Sie der Chef?« Ich nicke, und zack ist der Euro wieder verschwunden: »Dem Chef gibt man ja kein Trinkgeld …«
    Ach Mann, ich hätte so viel vorgehabt mit dem Geld!

Tschüss, Alter – mach’s gut!
Im Anschluss an die folgende Geschichte werde ich von einer Rockerbeerdigung erzählen, bevor ich das aber tue, passt diese Geschichte hier ganz gut dazu.

    P epi war Schönwetterrocker und Tätowierer und ist im Alter von 56 Jahren, die man ihm nicht ansah, er sah aus wie 70, schon letzte Woche verstorben. Magenkrebs.
    Gut, der hat gesoffen, geraucht und auch ansonsten eher unsolide gelebt, dass der früh stirbt, war irgendwie jedem klar, vermutlich auch ihm selbst.

    Heute Vormittag war die Trauerfeier hier bei uns in der Trauerhalle. Jetzt bringen wir den Sarg ins Krematorium, und später kommt die Asche in einen Friedwald.
    Die Trauerfeier war schön. Ungefähr achtzig Leute waren gekommen, eher aus der Tattoo-Szene als aus der Rocker-Ecke, obwohl es da Überschneidungen gibt, wie man an den vielen Mopeds und Motorräder, auf unserem Hof erkennen konnte. Pepi hatte zu Lebzeiten gesagt, man solle seinen Abschied feiern und sich drüber freuen, dass man ihn gekannt habe, und nicht flennen, weil er gehen muss.
    Also gab es ein Fass Bier.
    Der Sarg stand in der Mitte der Trauerhalle, auf dem Deckel ein Krug mit Gerstensaft, und ringsherum standen und saßen die Trauergäste, prosteten sich und Pepi zu, hörten metallische Musik und erzählten sich die Geschichten, die sie mit Pepi verbanden.
    Mit einem »Tschüss, Alter, mach’s gut!« verabschiedeten sich die Leute, als das Fass leer war, und selbst seine Witwe machte einen gelösten und zufriedenen Eindruck: »So hat der sich das gewünscht!«
    Und genau darauf kommt es in unserem Beruf an, finde ich.

Born to be wild
Ich kenne Motorradclubs oder Bikerclubs, wie das heute so schön heißt, noch unter der Bezeichnung Rockerbande und muss sagen, dass ich jedes Mal ein ganz klein wenig Angst bekomme, wenn mir auf der Landstraße so eine Kolonneschwerer Motorräder begegnet. Die Fahrer und Mitfahrer sehen ja auch wirklich zu martialisch aus mit ihren schwarzen Lederjacken und den Helmen. Wahrscheinlich wollen die mir gar nichts tun, aber ich glaube, die wirken gerne ein bisschen gefährlich und sehen es gar nicht ungern, wenn unsereins ein bisschen vor ihnen bibbert.

    E gal, die zwei die gerade aus meinem Büro raus sind, waren jedenfalls echte Rocker. Wie zwei Messdiener standen sie brav und ehrfürchtig nebeneinander, ganz in Leder. Der eine mit verspiegelter Sonnenbrille, der andere mit einem Piratenkopftuch. »Den Pepi hat’s zerbröselt.«
    Ich nehme mal an, dass soll bedeuten, dass ein Motorradfahrer namens Josef ums Leben gekommen ist, und so ist es auch. Heuler und Bobo nennen sich die zwei und erzählen mir, dass Pepi (ist das

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