Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
Wirklichkeit schwul gewesen, und ich mich der Frage zuwende, ob mich oder sonstwen das überhaupt etwas angeht, merke ich, dass es in der Trauerhalle ruhig geworden ist. Ui, der Pfarrer ist fertig! Also schnell die Klappe andrücken, den Stecker runterdrücken und das Gerät anheben. Knie an der Klappe und Nase auf die Taste geht zusammen nicht, ich bin zu fett, zu groß, zu unbeweglich! Dennoch schaffe ich es, mit dem Daumen auf Play zu drücken und der Russenimitator singt tatsächlich das »Ave-Maria«! Na endlich! Wenigstens ein Lied klappt!
Ich muss noch ein Lied spielen, ganz am Ende, wenn der Sarg rausgefahren wird. Also schneller CD-Wechsel. Welche Nummer war das noch mal? Ich will wenigstens jetzt den Trauermarsch abspielen. Ach ja, Nummer acht!
Die Totenglocke beginnt dünn zu bimmeln, es rumpelt in der Halle, die Sargträger sind also da. Genau der richtige Moment um … na, man ahnt es schon … die Klappe anzudrücken, den Stecker nach unten zu drücken, das Gerät leicht anzuheben und auf Play zu drücken. Ja und Nummer acht war natürlich exakt die Nummer, die ich vorhin schon mal im Display gesehen habe, und so kommt es, dass an diesem Tag, an dem alles schiefgelaufen ist, nun endlich … zum zweiten Mal die Präsidentenhymne »Hail to the Chief« gespielt wird.
Der Pfarrer wirft mir nach der Beerdigung einen Blick zu, der töten könnte, ich bin so was von nassgeschwitzt, und der Friedhofverwalter grinst mich an, und seine Blicke sagen: »Tja, ich hab’s dir doch gleich gesagt!«
Mir ist danach, irgendwem in den Arsch zu treten, einen unschuldigen Baum zu fällen oder eine Sau zu schlachten, irgendetwas Archaisches muss ich heute unbedingt noch tun!
Da pirscht sich von halbrechts hinten der Sohn des Verstorbenen an mich heran, der Sohn, der mir die CDs gegeben hat und sagt über meine Schulter hinweg leise: »Nur mal so nebenbei: Wenn meine Mutter Sie fragt, also wegen der Musik, meine ich, dann sagen Sie bitte, ich hätte die ausgesucht, das hat ihr nämlich so gut gefallen.«
Und schon steuert die Witwe, eben vom Grab zurückgekehrt, auf mich zu und schüttelt mir mit Tränen in den Augen die Hand: »Mein Mann hat ja die Kennedy-Musik bekommen, ach was schön, so schöööön!«
Tja, man muss halt ein Profi sein, oder?
Daniela und Beat
Die folgende Geschichte erzähle ich immer denjenigen, die meinen, unser Beruf sei vielleicht langweilig, und wir hätten es im Grunde den ganzen Tag nur mit toten alten Leuten zu tun. Die Toten beschäftigen uns dabei in Wirklichkeit nur eine recht kurze Zeit, am meisten haben wir mit den Hinterbliebenen zu tun, und da wir Sterbefälle nicht nur nach Schema F abwickeln, sondern stets auch ein offenes Ohr haben, erleben wir so manches Schicksal mit.
B eat. Zunächst glaube ich an einen Schreibfehler, doch dann fällt mir ein, dass die Eidgenossen ja die Angewohnheit haben, ihren männlichen Nachkommen etwas andere Namen zu geben als wir.
»War Ihr Mann Schweizer?«, frage ich deshalb die junge Frau, die da vor mir sitzt. Ich will sie nicht so anstarren, aber es fällt mir schwer, den Blick von ihr zu wenden. So eine schöne Frau habe ich selten gesehen. Blond ist ja sonst nicht so meine Farbe, aber sie ist eine von den Blonden, die keine andere Haarfarbe haben dürften. Ein schmales, scharf geschnittenes Gesicht, hohe Wangenknochen und schmale, aber ausdrucksvolle Lippen, zwei kleine Grübchen auf den Wangen und Augen so blau wie das Mittelmeer an einem schönen Sonnentag.
»Nein«, sagt sie, und ihre Stimme klingt einfach phantastisch. »Er ist Deutscher, ich glaube, der Opa war Schweizer.«
Die junge Frau heißt Daniela, ist gerade einmal 29 Jahre alt und angestellte Apothekerin. Ihr Mann Beat ist gestern Abend gestorben, er hat sich nach dem Abendessen in seinen neuen Audi gesetzt, wollte es, wie er sagte »mal richtig krachen lassen«, womit er meinte, dass er versuchen wollte, eine verkehrsarme Stelle auf der Autobahn zu erwischen, um herauszufinden, wie schnell sein Auto fährt.
Das mit dem Krachenlassen hat geklappt.
Als unsere Männer an den Unfallort kamen, war es schon nach 22 Uhr. Die Feuerwehr hat Teile des Daches vom Audi abschneiden müssen und mit Hydraulikstempeln die Karosserie auseinandergedrückt. Das viele Blut an Airbag, Armaturen und Sitz zeigt, dass Schlimmes zu erwarten stand.
Die Retter und der Notarzt müssen vor Ort noch fast eine Stunde um das Leben des Mannes gekämpft haben. Es sei aber ein absehbarer und
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