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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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so doof. Man glaube mir bitte, dass ich ernsthaft annahm, das blöde Teufelsweib kaufe wirklich Champignons oder so was …)
    »Wo ist der Verstorbene jetzt?«, will ich wissen, Manni sagt: »Unten bei Huber, die Freigabe können wir heute wohl noch holen, die [männlichen Kühe] sagen, der hätte einen Abschiedsbrief hinterlassen, und ein Brummifahrer hat gesehen, dass der ohne fremde Hilfe den Abgang gemacht hat.«
    Als Manni sieht, wie ich ihn über meine Brille hinweg ansehe, verbessert er sich und sagt: »… wie der Mann in die Tiefe gesprungen ist.«
    Jetzt können wir warten, ob sich jemand von den Angehörigen bei uns meldet oder ob die einen anderen Bestatter beauftragen, der dann den Verstorbenen bei uns wieder abholt. Ich jedenfalls rufe jetzt nicht bei den Angehörigen an, es kann nämlich durchaus sein, dass sich die Behörden, wie schon einmal, sehr üppig Zeit lassen und viele Stunden vergehen, bis da jemand bei der Familie vorbeigeht, um denen zu sagen, was passiert ist.
    Ich erinnere mich da an einen Fall, bei dem ich nach fast vier Stunden wegen einer dringenden Frage bei einer Familie anrief und sofort merkte, dass die noch gar nicht Bescheid wussten. Glücklicherweise hatte ich mich nur mit meinem Nachnamen und nicht mit der Firmenbezeichnung gemeldet. Damals tat ich so, als hätte ich mich geirrt, und habe dann viel später nochmals angerufen.
    Einer jungen, vielleicht auch etwas unerfahrenen Kollegin ist es aber passiert, dass sie im Auftrag der Polizei einen Verstorbenen abholen musste und man ihr sagte, dass man jetzt sogleich zu der Familie fahre und es wegen der Umstände am besten wäre, wenn sie kurz darauf direkt zu denen hinfahre. Das hat sie dann auch gemacht und stand dann da, mit ihrem Beratungskoffer bei der Mutter der Familie vor der Tür und stellte sich als Bestatterin vor, die wegen der Beerdigung ihres Mannes und Vaters der Familie hergekommen sei. Leider wusste die Frau noch gar nicht, dass sie Witwe war, und es ergab sich eine äußerst peinliche Situation.
    Jetzt ist es natürlich nicht üblich oder die Regel, dass die Bestatter sich sofort mit den Angehörigen einer »Polizeileiche« in Verbindung setzen. Selbstverständlich wartet man normalerweise darauf, dass sich die Familie nach einigen Stunden von selbst meldet. Aber manchmal sind die Beamten, die die Todesnachricht überbringen, sagen wir es mal vorsichtig, etwas überfordert. Man darf nicht vergessen, dass sie oft kurz zuvor noch die teils dramatischen Bilder an der Unfallstelle sehen mussten und nun vor Menschen stehen, die mit nichts Bösem rechnen. Die Situation ist für alle nicht sehr einfach. Ja, und da kann es eben vorkommen, dass die einen falschen Bestatter nennen oder vergessen, den Bestatter zu nennen, oder sonst was schiefläuft. Wir haben dann einen Verstorbenen in der Kühlung, und die Angehörigen haben keinen blassen Schimmer, wo der ist.
    Wenn sich also so überhaupt gar keiner bei uns meldet, dann müssen wir die Leute irgendwann mal anrufen und fragen, was denn jetzt sei.
    In diesem Fall hier habe ich aber überhaupt keine Lust, bei den Leuten anzurufen. Ich hoffe einfach nur, dass die sich bei uns melden, das ist für mich wesentlich einfacher.

    Jens heißt der junge Mann, der von der Brücke gesprungen ist, und seine Eltern heißen Dieter und Carola. Wir brauchten gar nicht bei ihnen anrufen, sie kommen gegen Abend von selbst vorbei, bringen eine Mappe voller Dokumente mit und sitzen einfach nur fassungslos da.
    Muss ich sagen, dass Dieter und Carola unisono berichten, es gäbe auch nicht den geringsten Anlass für Jens’ Todessprung?
    »Wir sind doch eine ganz normale Familie, so was hat es bei uns noch nie gegeben«, sagt Vater Dieter, und Mutter Carola schüttelt nur immer wieder den Kopf, wischt sich ihre Tränen ab und beteuert: »Wir haben doch alles für ihn getan.«
    Einmal mehr zeigt sich, dass man niemanden so wirklich kennt, niemanden, manchmal nicht mal sich selbst …
    Dieter und Carola Eisner sind leer. Welche Eltern machen sich schon Gedanken darüber, was mal sein wird, wenn sie eines ihrer Kinder beerdigen müssen? Es gibt genügend ältere Menschen, die sich keine Gedanken über ihr Ableben machen, und sie hinterlassen oft Angehörige, die hilflos beim Bestatter sitzen und noch nicht einmal wissen, ob der Verstorbene verbrannt werden wollte oder nicht.
    Bei Älteren denke ich dann manchmal, dass die sich ja nun wirklich schon mal mit dem Thema hätten beschäftigen können,

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