Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Verabredung für den Nachmittag getroffen.«
Um Viertel vor elf versuchte sie es ein weiteres Mal, Punkt elf ein letztes Mal. Aber Magdalena Feddersen meldete sich nicht.
Zehn nach elf erhob sich Erik, ergriff die Akte, die er gerade bearbeitete, und ging mit ihr in den Revierraum des Kommissariats, wo Enno Mierendorf und Rudi Engdahl Dienst taten.
Vor dem Besuchertresen stand eine junge Frau in einem hellen Sommerkleid, eine schwarze Leinenjacke hatte sie über die linke Schulter geworfen, die Sandaletten mit den hohen Absätzen ließen sie größer erscheinen und noch schlanker. Erik kam sich bei ihrem Anblick viel kleiner und breiter vor, als er war.
Er strich sich mit einer unruhigen Bewegung den Schnauzer glatt, ehe er sie ansprach. »Valerie! Du hier?«
Valerie Feddersen fuhr zu ihm herum. Ihr Gesicht war blass und ungeschminkt, ihr Blick ängstlich, die Hand, die sie Erik reichte, vibrierte. Er kannte diese Unruhe an ihr. Seit Lucia sich mit ihr angefreundet hatte, war es sein Wunsch gewesen, ihr die Nervosität zu nehmen, unter der sie litt.
»Mein Auto ist gestohlen worden«, stieß sie hervor. »Du weißt doch, ich bin gestern nach Niebüll gefahren. Zu Angela.«
»Du hast das Auto mitgenommen?« Erik wunderte sich. Die Fahrt über den Hindenburgdamm war im Autozug erheblich teurer als in einem Abteil. Und die Feddersens waren gezwungen, jeden Cent zweimal umzudrehen, ehe er ausgegeben wurde.
Valerie nickte. »Angela wohnt außerhalb, das weißt du doch.«
Erik wusste es nicht. Aber da es den Anschein hatte, dass er es wissen sollte, nickte er.
»Wir sind dann mit meinem Wagen nach Flensburg gefahren. Das Theater des Nordens gastierte dort mit Anatevka!«
»Dein Wagen ist also in Flensburg gestohlen worden?«
Valerie runzelte die Stirn, der Takt, den ihre nervösen Finger auf dem Tresen schlugen, wurde immer schneller. »Nein, in Niebüll, in der Nähe von Angelas Wohnung. Dort habe ich ihn nach unserer Rückkehr abgestellt, aber heute Morgen …« Sie machte eine hilflose Geste. »Heute Morgen war er weg.«
»Du hast den Diebstahl nicht in Niebüll angezeigt?«
Valerie sah Erik schuldbewusst an. »Ist das schlimm? Ich habe einfach nicht daran gedacht. Mir ist erst auf dem Hindenburgdamm eingefallen, dass ich den Diebstahl anzeigen muss.«
Erik beruhigte sie. »Es spielt keine Rolle, ob du hier oder in Niebüll die Anzeige aufgibst.«
»Es wird ja sowieso nichts bringen«, seufzte sie. »Oder glaubst du, dass ich das Auto zurückbekomme?«
Erik zuckte die Achseln. »Gut sind die Aussichten nicht.«
»Also gebe ich diese Anzeige nur auf, damit die Versicherung zahlt.«
Erik hielt sich noch eine Weile im Revierraum auf, während Valerie dem Kollegen Enno Mierendorf genau erklärte, wo sie ihr Auto abgestellt und am Morgen nicht wiedergefunden hatte. Er überlegte, welche dienstliche Aufgabe ihm eine Stunde Außendienst bescheren könnte, in der er Valerie nach Hause bringen konnte. Aber noch ehe ihm etwas eingefallen war, ging das Telefon.
Rudi Engdahl nahm ab, und wenig später stand fest, dass Valerie den Bus nehmen musste. »Nichts anfassen! Lassen Sie alles so, wie es ist. Wir kommen sofort.« Engdahl warf den Hörer auf die Gabel. »Leiche gefunden! Mit Gewalteinwirkung!«
»Ist der Name des Opfers bekannt?«
Er war bekannt. Fünf Minuten später bekam Rudi Engdahl ein dickes Lob von seinem Chef, weil er ihn nicht genannt hatte.
Mamma Carlotta hatte ihr Strahlen eingebüßt. »Da habe ich extra Insalata di funghi gemacht und Spaghetti al sugo di noci! Sogar der Fisch ist vorbereitet – und was passiert? Euer Vater kommt nicht zum Mittagessen nach Hause. Und Sören auch nicht.« Unzufrieden sah sie ihren Enkelkindern beim Essen zu, die sich bemühten, durch besonderen Appetit von den Unterlassungssünden ihres Vaters abzulenken.
Felix hingen die Spaghetti aus den Mundwinkeln, während er ihn verteidigte: »Was soll er machen? Wenn auf Sylt ein Mord passiert, muss er so schnell wie möglich zum Tatort. Wenn ich erst in der Bundesliga spiele, muss ich auch alles stehen und liegen lassen, wenn der Bundestrainer anruft.«
Aber Carlotta hatte sich in ihrem seelischen Tief eingerichtet. »Schon wieder ein Mord!«, jammerte sie. »Was ist das nur für eine Insel, auf der ständig gemordet wird? Überhaupt gefiel mir Sylt im Frühling viel besser. Diese vielen Autos! Diese halbnackten Touristen! Sie machen Ferien, aber eilig haben sie es trotzdem. Bei Feinkost Meyer musste ich mich an
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