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Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Kindern einen Besuch in Umbrien gemacht hatte. Und er war fünfzehn Jahre jünger als seine Schwiegermutter!
    Mühsam rappelte er sich auf. Es war immer das Gleiche! In Mamma Carlottas Gegenwart fühlte er sich alt, unbeweglich und fade. Vielleicht war das der Grund, warum er so ungern nach Umbrien gefahren war? Wenn Lucia die Koffer packte, hatte er manchmal heimlich gehofft, ein Mord auf der Insel könnte seinen Italienurlaub abwenden. Aber niemals hatte es auch nur das kleinste Kapitalverbrechen gegeben, wenn Lucia beschloss, mit ihm in ihre Heimat zu reisen.
    Er stellte den Wecker ab, noch bevor er klingeln konnte. Warum nur hatte er so schlecht geschlafen? Die Antwort fiel ihm ein, als er einen Blick aus dem Fenster warf. Bei seinen Nachbarn war in der Nacht eine laute Party gefeiert worden. Das Ehepaar Kemmertöns hatte im letzten Winter die Garage ausgebaut und daraus zwei weitere Ferienwohnungen gemacht. Mit Gartenbenutzung! So stand es auf dem Schild, das sie am Straßenrand aufgestellt hatten. Und die Touristen, die zurzeit dort Urlaub machten, nutzten den Garten ausgiebig. Vor allem nachts, wenn der werktätige Sylter seine Ruhe haben wollte.
    »Wäre die Hauptsaison doch endlich vorbei!«, knurrte Erik, als er sich auf den Weg ins Bad machte.
    Besonders die Stimme einer Frau hatte ihm den Schlaf geraubt. Eine Stimme mit italienischem Akzent, die oft minutenlang allein zu hören gewesen war. Einschläfernd und deswegen einigermaßen erträglich. Aber nach diesen Minuten hatte regelmäßig donnerndes Gelächter eingesetzt, sodass Erik froh gewesen war, als ein lautes »Ciao!« und »Buona notte!« zu hören und endlich Ruhe gewesen war. Diese Italienerinnen! Anscheinend waren sie alle gleich. Lucia hatte auch gern die Nacht zum Tage gemacht. Und er hatte ihr oft vorgehalten, dass sie nachts noch schneller redete als tagsüber.
    Auf einmal hörte er das Telefon schrillen. Ein Anruf um diese Zeit? Das konnte mehrere Gründe haben: Jemand hatte sich verwählt, auf Sylt war ein schweres Verbrechen oder in Umbrien etwas Spektakuläres geschehen. Wenn dort ein Sturm die Feigenernte bedrohte, wenn ein Tourist die Zimmerrechnung nicht bezahlte oder ein Gewitter den Pfarrer erschreckte, sodass er mitten in der Nacht die Kirchturmglocke in Gang setzte, dann mussten die Mitglieder der Familie Capella, die fern von Umbrien lebten, darüber in Kenntnis gesetzt werden. Und zwar sofort! Man konnte sich eigentlich glücklich schätzen, dass die italienische Offensive sich bis sieben Uhr morgens Zeit gelassen hatte.
    Aber er hatte sich geirrt. »Sören!«, hörte er seine Schwiegermutter rufen, die den Anruf entgegengenommen hatte. »Sie kommen zum Frühstück? Ich werde gleich zum Bäcker laufen und Panini kaufen. Soll ich Konfitüre für Sie besorgen? Mortadella und Parmaschinken? Keine Widerrede!«
    Die Kinder würden heute ihren Wecker nicht nötig haben. So wie in Umbrien an Ausschlafen nicht zu denken war, wenn auch nur ein einziges Mitglied der Familie Capella im Haus war, würde es auch hier keine morgendliche Ruhe geben, wenn Mamma Carlotta jemanden fand, mit dem sie reden konnte. Und sollte partout niemand in ihrer Nähe auftauchen wollen, würde sie so lange mit dem Geschirr klappern, bis einer kam, der sie fragte, warum sie einen solchen Lärm machte.
    »Was wollte Sören?«, rief Erik die Treppe hinab.
    »Bescheid sagen, dass er dich abholt«, schallte es zurück.
    »Bescheid sagen, dass er bei uns frühstücken will«, korrigierte Erik brummend. Es konnte ja niemand sehen, dass er lächelte, dass er sich darauf freute, in eine Küche zu kommen, in der jeder Stuhl besetzt war, in der geredet und gelacht wurde, in der die Behaglichkeit duftete.
    Mamma Carlotta stellte so geräuschlos wie möglich das Geschirr zusammen. Nur gut, dass sie eine Kopfschmerztablette im Badezimmerschrank gefunden hatte! Und gut, dass sie mit dem Espresso beschäftigt gewesen war, als Erik über den Lärm in Kemmertöns’ Garten geschimpft hatte. So brauchte sie ihn nicht anzusehen, als er von einer Italienerin sprach, die ganz maßgeblich an dem ruhestörenden Lärm beteiligt gewesen war.
    Eigentlich hatte sie ja gar nicht die Absicht gehabt, sich zu Kemmertöns’ Feriengästen zu gesellen. Es hatte sich einfach so ergeben. Rein zufällig war sie noch einmal in den Garten gegangen, um ein wenig von der frischen Luft zu schöpfen. Auf Sylt war sie so herrlich erquickend, ganz anders als die Abendluft in Umbrien, die nach dem Gras

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