Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
sitzen unten. Sie stehen noch unter Schock.«
Erik wandte sich an Sören. »Schicken Sie die beiden erst mal nach Hause. Mit der Nachbarin werde ich reden, wenn ich hier alles in Augenschein genommen habe. Bei Mathis Feddersen fahre ich auf dem Heimweg vorbei.«
Erik betrachtete das Schlafzimmer der Toten, während Dr. Hillmots Stimme durch den Raum sickerte. »Schmale Auftrefffläche, gelbliche bis braunrote Vertrocknungen in Form der Tatwaffe, vermutlich Kerzenleuchter, striemenartige, doppelt konturierte Hautblutungen, dazu punktförmige bis kleinfleckige Hautblutungen, der unterminierte untere Wundrand spricht für Gewalteinwirkung von oben, Schädelbasisfraktur …«
Erik versuchte seine Ohren zu verschließen. Die Fachterminologie des Gerichtsmediziners war für ihn wie das Messer, das aus einer tödlichen Wunde entfernt werden muss, damit das Mordopfer endlich seine Ruhe finden kann. Er konzentrierte sich auf den Raum, in dem er stand. Ein großes, helles Zimmer, sparsam möbliert, mit einem breiten Bett. Rechts und links daneben auf zierlichen Nachttischen Lampen mit blauen Schirmen. Blumen, Wohnaccessoires und ein paar Bilder in sanften Farben machten den Raum behaglich, nahmen ihm die Kühle, die vielen Schlafzimmern anhaftet, und auch die Zweckmäßigkeit, die riesige Schränke und Kommoden erzeugen. In Magdalenas Schlafzimmer gab es keinen Schrank, eine Tür öffnete sich zu einem Ankleidezimmer, in dem ihre erstaunlich spärliche Garderobe in offenen Regalen untergebracht war.
Als Erik die Treppe hinabstieg, schloss Sören gerade die Tür hinter Mathis Feddersen und einer Frau, die Magdalenas Nachbarin sein musste. Während Erik ins Wohnzimmer ging, um sich dort umzusehen, berichtete Sören: »Mathis Feddersen ist heute Morgen mit frischen Brötchen hier erschienen, um mit seiner Tante zu frühstücken. Anscheinend tut er das öfter. Er hat sich gewundert, dass sie nicht öffnete, denn so früh geht sie normalerweise nicht aus dem Haus, sagt er. Sie ist eine Langschläferin, deswegen hat er den Schlüssel benutzt, den sie ihm anvertraut hat, und ist ins Haus gegangen. Er hat Kaffee gekocht, den Tisch gedeckt und wollte seine Tante gerade wecken – da kam die Nachbarin. Sie machte sich Sorgen, weil die Rollläden noch geschlossen waren. Daraufhin sind die beiden hochgegangen und … tja, den Rest kennen wir.«
Erik nickte und sah Vetterich und seinen Leuten eine Weile bei ihrer Arbeit zu. »Irgendwas Interessantes?«, fragte er schließlich.
Kommissar Vetterich schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht. Nur das Übliche. Viel Familienkram. Wie das so ist bei Frauen Ende fünfzig.«
Erik ging mit Sören in die Küche. Auf dem Tisch lag eine gefüllte Brötchentüte, zwei Gedecke standen daneben, Butter und Marmelade, die Mathis Feddersen wohl aus dem Kühlschrank geholt hatte, bevor die Nachbarin erschienen war. Die Kaffeemaschine war noch eingeschaltet, sie zischte leise.
»Wie heißt die Nachbarin?«
Sören warf einen Blick auf seinen Notizblock. »Berhenne. Ebenfalls alleinstehend. Sie und die Tote haben schon vor Jahren verabredet, gegenseitig ein Auge auf die Sicherheit der anderen zu haben. Frau Berhenne hat es sich zur Gewohnheit gemacht, bei Magdalena Feddersen zu klingeln, wenn nach zehn noch die Rollläden geschlossen waren. Einige Male ist es tatsächlich vorgekommen, dass Magdalena zu dieser Zeit noch im Bett lag. Gesund und munter.«
Erik kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo Vetterich gerade den Schreibtisch der Toten öffnete. »Seht euch nach einem Testament um. Wir müssen möglichst schnell wissen, wer Nutznießer von Magdalena Feddersens Tod ist.«
»Glauben Sie, ich mache meinen Job erst seit gestern?«, knurrte Vetterich zurück.
Erik blieb von seiner Bärbeißigkeit unbeeindruckt. »Wissen Sie schon, wie der Täter ins Haus gekommen ist?«
Vetterich nickte. »Ein Fenster der Garage ist eingeschlagen worden. Von dort gibt es eine Tür, die ins Haus führt. Anscheinend war sie nicht verschlossen.« Er schob die Schublade zu, deren Inhalt er untersucht hatte. »Die Kollegen sichern gerade in der Garage die Spuren.«
»Soweit ich weiß«, meinte Erik, »ist Mathis Feddersen der einzige Verwandte. Wenn die Tote also nichts anderes verfügt hat, wird er alles erben.«
»Und er kann es verdammt gut gebrauchen«, ergänzte Sören. »Ein Motiv hat er also.«
»Mal sehen, ob er auch ein Alibi hat.«
Inzwischen war aus Mamma Carlottas Enttäuschung Verunsicherung geworden, ein
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