Gesund durch Meditation
liebende Güte einbeziehen. Möglicherweise befreien wir uns von einer schweren Last negativer Gefühle, an der wir schon lange zu tragen haben, indem wir in uns Vergebung zulassen und selbst um Vergebung bitten. Es ist ein zutiefst heilsamer und befreiender Prozess, in dessen Verlauf wir in unserem Herzen und unserem Geist die Dinge so akzeptieren, wie sie sind, und uns von den Kränkungen und verletzten Gefühlen der Vergangenheit lösen. Solange wir bei uns selbst bleiben, nichts erzwingen und unsere gegenwärtigen Grenzen respektieren, ganz so, wie wir es im Yoga halten, können wir dabei nur gewinnen.
Wir setzen die Übung noch weiter fort, indem wir den Kreis der Menschen, die wir in sie einbeziehen möchten, weiter ausdehnen. Wir können das Gefühl der Liebe und Güte nun auf Menschen richten, denen wir täglich begegnen, ohne sie wirklich zu kennen, wie den Postboten oder die Kassiererin im Supermarkt. Dann können wir diesen Kreis noch weiter ziehen und all den irgendwo und überall auf der Welt leidenden, unterdrückten, schwer traumatisierten, der Zuwendung und Anteilnahme zutiefst bedürftigen Menschen positive Gefühle senden. Schlagen wir den Radius noch weiter, können wir das Gefühl liebender Güte aus unserem Herzen in alle Richtungen ausströmen lassen, bis es alles lebendige Geschehen und alle Lebewesen auf dem Planeten und, wenn wir wollen, die Erde selbst als ein lebendes Wesen mit umfängt.
Schließlich kehren wir zu unserem Körper und unserem Atem zurück und beenden die Meditation damit, dass wir ihr noch eine Weile in Ruhe nachspüren und alle Gefühle, die sich einstellen, bereitwillig annehmen. Sind es Gefühle des Wohlwollens, der Wärme und Liebe, so lassen wir sie in Dankbarkeit unserem Herzen entströmen und in uns nachklingen.
Als ich der Meditation über liebende Güte zum ersten Mal begegnete, kam sie mir ein wenig aufgesetzt vor. Sie schien so gar nicht dem Geist der Achtsamkeit zu entsprechen und den Übenden veranlassen zu wollen, bestimmte Gefühle in sich zu erzeugen, anstatt aller Gefühle, die sich einstellen, in akzeptierender Haltung gewahr zu werden. Da ich die Übung der Achtsamkeit selbst schon als einen radikalen Akt der Liebe oder der liebenden Güte ansah, schien es zumindest überflüssig, die Achtsamkeit durch eine spezielle Technik zu ergänzen, die überdies Verwirrung stiften kann, weil sie allem Anschein nach im Widerspruch zur Grundorientierung des Nicht-Erzwingens und Nicht-Tuns im akzeptierenden Gewahrsein steht.
Das änderte sich jedoch, als ich erlebte, welche Kraft von der bewussten Pflege der liebenden Güte ausgeht. Regelmäßig praktiziert, hat diese Meditation eine erstaunlich besänftigende Wirkung. Sie stimmt uns milde im Umgang mit uns selbst und anderen und hilft uns zu sehen, dass alle Wesen unser Verständnis und Mitgefühl verdienen. Selbst wenn wir mit anderen in Konflikt geraten, können wir uns einen klaren Geist und ein offenes Herz bewahren, ohne in egozentrische und negative Gefühlszustände abzugleiten, mit denen wir uns letztlich nur selbst schaden.
Zumindest für einige von uns ist es angezeigt, dem mentalen Training durch die Übung von Mitgefühl und Wohlwollen, angefangen bei sich selbst, einen milderen Akzent zu verleihen. Wir können den Weg der Weisheit nicht ohne Mitgefühl gehen, weil sie keine getrennten Größen sind, sondern einander durchdringen. Wie wir später noch sehen werden, ist alles im polaren Zusammenhang miteinander verbunden, und so wie es kein Ich ohne Du gibt, so auch keine wahre Weisheit ohne Herzenswärme, keine wahre Herzenswärme ohne Weisheit.
14. Medizin und Gesellschaft auf dem Weg zu einem neuen Gesundheitsmodell
In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren hat es in der Grundlagenforschung drei aufsehenerregende Entdeckungen gegeben, die unser Verständnis des Wirkungszusammenhangs zwischen Körper und Geist und seiner Bedeutung für die Gesundheit grundlegend verändern.
Die erste Entdeckung ist das Phänomen der
Neuroplastizität.
Es ist inzwischen erwiesen, dass das Gehirn ein lebenslang lernfähiges Organ ist, das bis ins hohe Alter hinein und in Anpassung an äußere Einflüsse ständig weiter ausreift, sich wandelt und neu strukturiert. Es ist auch bekannt, dass gezielte Übung, gleich welcher Art, und wiederholte Konfrontation mit komplexen Aufgabenstellungen diese grundlegende Fähigkeit des Gehirns zusätzlich stimuliert. Das neu entstandene Forschungsgebiet der
kontemplativen
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