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Gesund durch Meditation

Gesund durch Meditation

Titel: Gesund durch Meditation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Kabat-Zinn
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leben wird. Das Leben entfaltet sich allein in diesem Augenblick, und die heilende Wirkung der Achtsamkeit liegt darin, ihn in seiner ganzen Fülle zu erleben und als das zu akzeptieren, was er ist, während wir den nächsten Augenblick auf uns zukommen lassen, offen für eine neue Erfahrung des Jetzt.
    Paradoxerweise birgt gerade dieser Wechsel in der Orientierung und Wahrnehmung ein umfassendes Verwandlungspotenzial. Akzeptierendes Geschehenlassen bedeutet keineswegs passive Ergebung oder Resignation. Es bedeutet, einer Situation so vollständig wie möglich gewahr zu sein, wie schwierig sie auch sein mag. Erst dann können wir, bewusst oder auch intuitiv, die
Wahl treffen,
zu dem gegenwärtigen Augenblick auf andere Art in Beziehung zu treten. Vielleicht ergibt sich daraus die Möglichkeit oder auch Notwendigkeit, auf die eine oder andere Weise aktiv zu werden. Es kann aber auch heißen, einfach nur in innerer Stille zu verweilen, wissend, dass alles in ständigem Wandel begriffen ist. Unser Geist, unsere innere Einstellung und unsere Fähigkeit, im weiten Raum des Gewahrseins auszuruhen, tragen gleichermaßen zum Verständnis unserer Lebensumstände als einer der Grundlagen für unseren Heilungsprozess bei. Sich mit ihnen auszusöhnen ist auch eine Art, aktiv zu werden, wenngleich es in der Form des Nicht-Tuns geschieht.
    Eine unserer Krebs-Patientinnen kam eines Tages während ihrer Meditation zu der Erkenntnis, dass nicht
sie
ihr Brustkrebs war, dass sie ein ganzes, vollständiges Wesen war und der Krebs etwas anderes, ein Geschehen in ihrem Körper. Zuvor hatte sie ihre ganze Kraft damit verbraucht, sich mit der Krankheit gleichzusetzen und sich völlig mit ihrer Rolle als »Krebskranke« zu identifizieren. Nun fühlte sie sich wie von einer schweren Last befreit und konnte wieder klarer über ihr Leben nachdenken. Entschlossen, die Krankheit als eine Chance zu innerem Wachstum zu nutzen, jeden Augenblick ihres Lebens so intensiv wie nur möglich zu erleben und sich dabei den Krebs zum Helfer zu machen, anstatt sich in Selbstanklagen oder Selbstmitleid zu ergehen, schuf sie die Voraussetzung für Heilung, für die Aufhebung einengender mentaler Grenzen, für das Akzeptieren dessen, womit sie konfrontiert war. Zwar hatte sie die Hoffnung, diese Einstellung würde sich auch auf ihre Krebserkrankung auswirken, aber sie wusste auch, dass es keine Garantie und nicht einmal ein Anzeichen dafür gab, dass der Tumor sich zurückbilden würde oder ihr Leben sich verlängern ließe. Nicht diese Gründe bestimmten ihre innere Entscheidung, bewusster zu leben, sondern sie wollte jeden Augenblick ihres Lebens auskosten, ganz gleich, was passierte. Zugleich aber wollte sie offen für die Möglichkeit bleiben, dass durch eine vollständigere Integration von Geist und Körper über die Übung der Achtsamkeit der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst wird.
     
    Es gibt vermehrt Belege dafür, dass solch eine positive Beeinflussung eines Krankheitsgeschehens möglich ist. Ein völlig neuer Forschungszweig mit dem Namen
Psychoneuroimmunologie,
kurz PNI , ist aus diesem Gedankenansatz entstanden. Studien auf dem Gebiet zeigen, dass das Immunsystem zumindest zum Teil durch das Gehirn und vom Nervensystem gesteuert wird. Zwischen Gehirn und Immunsystem bestehen wichtige Verbindungen, die einen in beiden Richtungen erfolgenden Informationsfluss ermöglichen. Während also, in anderen Worten, das Gehirn die Funktionen des Immunsystems beeinflusst, hat umgekehrt der jeweilige Zustand des Immunsystems spezifische Auswirkungen auf das Gehirn. Mit der Entdeckung dieser Zusammenhänge verfügt die Wissenschaft nun über ein plausibles Arbeitsmodell, um auf seiner Grundlage die biologischen Bahnen und Mechanismen zu beschreiben, über die unsere Gedanken, Gefühle und Lebenserfahrungen für unsere Krankheitsanfälligkeit oder -resistenz mitbestimmend sein können.
    Für die zukünftige Forschung stellt sich letztlich als Hauptfrage, in welchem Maß der Geist auf die
Heilung
bestimmter Krankheiten Einfluss nehmen kann, und zwar nicht nur indirekt, etwa durch eine veränderte Lebensweise, so wichtig dies auch sein mag, sondern durch direkte Beeinflussung der Funktionen des Immunsystems und des Gehirns selbst. Bei der Interpretation der Bedeutung spezifischer Auswirkungen auf das Immunsystem ist jedoch Vorsicht geboten. Bis heute ist noch nicht der eindeutige Beweis dafür erbracht, dass die zu beobachtenden Veränderungen im Immunsystem mit

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