Gesund durch Meditation
Neurowissenschaft
untersucht die Gehirnfunktionen im Zusammenhang mit den Grundfragen nach dem Bewusstsein und dem Geist-Körper-Zusammenhang. Diesem Ziel dienen Studien sowohl mit Personen mit langjähriger Meditationserfahrung als auch mit Probanden, die erst seit relativ kurzer Zeit regelmäßig meditieren. Die Entdeckung der Neuroplastizität machte Schluss mit einem Hauptdogma der Neurobiologie, welches besagt, dass etwa ab dem dritten Lebensjahr die Zahl der Nervenzellen im Gehirn und im zentralen Nervensystem kontinuierlich und in wachsendem Tempo abnimmt. Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass sich zumindest in einigen Gehirnregionen bis ins hohe Alter neue Nervenzellen bilden können.
Die zweite große Entdeckung fällt in das Forschungsgebiet der
Epigenetik.
Wie sich herausstellte, weist auch das Genom »Plastizität«, also eine Art Formbarkeit auf, von der man sich noch vor kurzem keinerlei Vorstellung machte. Die Epigenetik erforscht im Einzelnen, auf welche Weise unsere Erfahrungen, Verhaltensweisen, die Art unserer Lebensführung und sogar unsere inneren Einstellungen Einfluss darauf haben können, welche Gene unserer Chromosomen »eingeschaltet« oder »ausgeschaltet« werden. Daraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen, die besagen, dass unser genetisches Erbe keineswegs so schicksalhaft ist, wie es die klassische Auffassung vertrat. Demnach sind wir in der Lage, unser Erbgut zumindest mittelbar zu beeinflussen, indem wir es in seinen einzelnen Ausprägungen aktivieren oder deaktivieren, und haben es auf diese Weise theoretisch selbst in der Hand, ob und wann bestimmte Krankheiten zum Ausbruch kommen.
Die dritte revolutionäre Entdeckung betrifft die Funktion der
Telomere
und des Enzyms
Telomerase,
das die Telomere wiederherstellt. Telomere sind Strukturelemente an den Enden der Chromosomen und notwendig für die Zellteilung. Bei jeder Zellteilung verkürzen sie sich ein wenig, bis sie ihre Funktion ganz verlieren. Die Abnutzung der Telomere steht also in direkter Beziehung zur Zellalterung und damit zu unserer Lebenserwartung. Für ihre Arbeiten auf diesem Gebiet erhielt Elizabeth Blackburn 2009 den Nobelpreis für Medizin/Physiologie. Seit der Entdeckung, dass Stress den Verkürzungsprozess beschleunigt, wandte sie sich der Frage zu, inwiefern Achtsamkeit und andere meditative Techniken der Abnutzung entgegenwirken können. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend und besagen, dass für den Abnutzungsgrad der Telomere offenbar nicht nur das Ausmaß an Stress, unter dem wir stehen, eine Rolle spielt, sondern auch die Art und Weise, wie wir mit ihm umgehen.
Dank der Impulse, die in den vergangenen sieben Jahrzehnten insgesamt von den Biowissenschaften und in neuester Zeit insbesondere von den genannten drei Forschungsgebieten ausgegangen sind, befinden wir uns heute in einem faszinierenden und aussichtsreichen Abschnitt der Entwicklung in Medizin und Gesundheitswesen. Obwohl wir über Krankheiten heute so viel wissen wie nie zuvor und trotz verbesserter Diagnoseverfahren und Behandlungsmethoden gibt es jedoch immer noch sehr viel mehr, das wir nicht wissen. Die moderne Medizin ist weit davon entfernt, die Krankheiten so weit dezimiert oder auch nur unter Kontrolle gebracht zu haben, dass sie selbst damit überflüssig geworden wäre. Trotz des rasanten Fortschritts in der Genforschung, der Molekularbiologie, der Zellbiologie und der Neurowissenschaft ist unser Verständnis der Biologie selbst der einfachsten lebenden Organismen nach wie vor rudimentär. Und geht es schließlich um die Behandlung eines einzelnen Menschen und seiner konkreten Erkrankung, stößt die Medizin auch heute noch schnell an sehr reale Grenzen, hinter denen sich weite Bereiche des Nichtwissens auftun.
Wegen ihrer spektakulären Erfolge sind wir geneigt, der Medizin in großem Umfang zu vertrauen. Zugleich ist es überraschend zu sehen, wie wenig wir eigentlich darüber wissen, was sie zu leisten vermag und was nicht. Häufig erfahren wir ihre Grenzen erst dann, wenn wir Schmerzen haben oder uns mit einer bestimmten Erkrankung, Behinderung oder Diagnose konfrontiert sehen – oder wenn wir uns nahestehende Menschen leiden sehen, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet oder eine effektive Behandlungsmethode zur Verfügung steht. Wir können dann leicht völlig desillusioniert werden und reagieren mit Wut und Frustration auf die Diskrepanz zwischen unseren Erwartungen und dem, was die Medizin tatsächlich zu leisten
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