Gesundheit, Herr Doktor!
die berühmte Miss Brenda Bristols», stellte er ihr die Schauspielerin vor. «Sie wird ein paar Tage bei uns bleiben. Exzision eines Fibroadenoms in der Brust. Meine Patientin.»
«Aber geh, Schatz, ich bin doch mehr als nur deine Patientin», sagte die Schauspielerin scherzend, während sie ihre Wimpern flattern ließ, die der Oberin wie Spinnenbeine vorkamen. «Sir Lancelot und ich sind alte Spielkameraden, Schwester .»
«Oberin», korrigierte diese mit einer Stimme, die wie ein zerklirrender Eiszapfen klang.
Brenda Bristols faßte sie eine Sekunde lang ins Auge. «Wie dumm von mir! Klar, Sie sind sichtlich viel älter als alle diese jungen Schwestern hier.»
Die Oberin trommelte leise mit den Fingern auf den weißen Plastiktisch. «Ein Krankendiener wird Sie auf Ihr Zimmer bringen. Ich habe wichtigere Dinge zu tun.»
«Mein Hauschirurg wird in Kürze bei Ihnen erscheinen, um Sie zu untersuchen, Brenda. Es ist Mr. Havens, ein charmanter junger Mann.»
«Ich hatte immer schon viel für charmante junge Männer übrig. Aber ich dachte, sie seien mit der modernen Haartracht dahingegangen. »
«Ein Farbfernseher mit zwei Kanälen - und einem dritten auf arabisch - steht Ihnen zur Verfügung, wenn Sie wollen», informierte Sir Lancelot sie zuvorkommend. «Und, wie ich höre, sollen di e pâtisseries zur Teezeit ganz vorzüglich sein.»
«Ich konnte natürlich nicht annehmen, daß Sie mit dieser... dieser Komödiantin auch nur flüchtig bekannt seien», sagte die Oberin scharf, als Brenda Bristols von zwei beflissenen Krankenwärtern zum Lift gebracht worden war.
«Wir haben ein gemeinsames Interesse am Schauspiel. Seit dem Tod meiner Frau bin ich ein regelmäßiger Theaterbesucher geworden.»
Die Oberin schlug die Hände zusammen und schürzte die Lippen. «Hoffentlich entsinnen Sie sich noch des Hippokratischen Eides?»
«Ich glaube nicht, daß ich ihn je gelesen habe. Er ist offenbar nirgends schriftlich festgehalten, nur Bruchstücke sind über den Eingängen Medizinischer Institute eingemeißelt.»
«Sie hätten die Dame einem der anderen Fachärzte des St. Swithin überweisen sollen. Sie erfassen doch hoffentlich die Gefahr, in die sich ein Chirurg begibt, wenn er das ärztliche mit dem persönlichen Interesse vermengt?»
«Ich bin über das Alter hinaus, in dem ich dies noch nicht ganz erfaßt hatte», erwiderte er streng. «Und damals habe ich diese schreckliche Gefahr ohnedies mißachtet. Aber ich gehöre gewiß nicht zu jenen modernen jungen Ärzten, die an den Ärzteverband das Ansinnen herangetragen haben, das Berufsethos so weit zu mildern, daß sich so gut wie jede junge Frau im Bett den Wünschen eines Arztes zu fügen habe.»
«Tut mir leid, Lancelot», entschuldigte sich die Oberin, plötzlich sanft geworden. «Sie wissen ja, wie aufgeregt ich heute schon den ganzen Tag über bin. Mit dem Rücktritt habe ich es mir jetzt doch überlegt. Schließlich gehe ich ja ganz in meiner Pflegearbeit auf. So sollte es mich eigentlich nicht aus der Fassung bringen, wenn meine Patienten irgend etwas irgendwohin machen.»
Sir Lancelot kam weder dazu, sie zu diesem klugen Entschluß zu beglückwünschen, noch ihren Stoizismus gebührend zu würdigen. In diesem Augenblick erschien nämlich ein kleiner, runder, adretter Mann im grauen Anzug eines Geschäftsmannes und mit dick gefaßter Brille zwischen den zurückgleitenden Flügeln der Glastür. «Freddie, ich freue mich sehr, Sie persönlich im Bertram-Bunn-Trakt begrüßen zu können», empfing ihn Sir Lancelot.
«Bin ich durch die richtige Tür gekommen?»
«Nicht ganz. Dies ist Lord Hopcroft, Oberin, Präsident der Hop-croft-Hotelkette», stellte Sir Lancelot ihn vor. «Er trägt, sagt man, die Verantwortung für mehr Schlafgäste als die Britischen Eisenbahnen.»
«Nicht in diesen schweren Zeiten, leider», sagte Lord Hopcroft mit einem wehmütigen Lächeln. «Einige meiner besseren Hotels sind so still geworden wie Dornröschens Schloß.»
«Ich empfahl Lord Hopcroft, sich jetzt, da unser erstaunliches neues Diagnose-System installiert ist, zu einer Routinekontrolle einzufinden. »
«Es dauert doch nicht lange, nicht wahr?» fragte seine Lordschaft unruhig. «Ich habe, wie gewöhnlich, entsetzlich viel zu tun. Kann ich meinem Chauffeur sagen, daß er warten soll?»
«Unbedingt. Es nimmt überhaupt keine Zeit in Anspruch», versicherte Sir Lancelot. «Ein Computer macht das ganze. Ich verstehe diese Maschinen zwar nicht sehr gut. Sie,
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