0403 - Baals Opferdolch
Wir hörten den Stapler. Er fuhr mit einer hohen Geschwindigkeit auf uns zu. Was sich ihm in den Weg stellte, würde er zur Seite räumen, auch mich. Ich stand vor Bill und sah dieses Ungetüm aus Stahl.
Noch ging ich das Risiko ein und ließ mir etwas Zeit. Die Lichtlanze glitt dorthin, wo sich der Körper des Fahrers befinden musste, doch Kamikaze hatte es verdammt raffiniert angestellt. Er zeigte sich nicht, hatte sich geduckt, sodass man den Eindruck hatte, als würde der stählerne Koloss von allein fahren.
Da er mir kein Ziel bot, hatte es wenig Sinn, auf irgendetwas zu feuern. Es wäre nur Munitionsverschwendung gewesen. Wir mussten uns etwas anderes einfallen lassen.
Kamikaze würde durchdrehen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als uns aus dem Weg zu räumen, wenn er seine Pläne durchführen wollte. Und das würde dieses alte Lager im Schlosskeller sicherlich nicht überstehen. Was dabei zu Bruch ging, war ihm egal, uns ebenfalls. Wir wollten nur, dass dieses Monstrum nicht zum Zug kam.
Bevor ich die Lampe löschte, sah ich ein letztes Mal das helle Blinken der überdimensionalen Zinken, dann hechtete ich zur Seite und fiel genau in den Stapel der aufgereihten Spiele hinein, um die sich alles drehte.
Spiele sind nicht schwer. Zudem hatten Bill und ich die Verschnürung gelöst, und so schlug ich mit meinem Hechtsprung eine Bresche in den Stapel.
In dem schabenden und auseinander rutschenden Kartondurcheinander fiel ich tiefer.
Nach einer mir endlos erscheinenden Zeitspanne spürte ich den Steinboden unter den Fingern, stützte mich mit den Handflächen ab, gab mir Schwung und schaffte es somit, durch eine Rolle vorwärts Distanz zu dem verdammten Stapler zu gewinnen.
Kamikaze war keine Katze, er konnte im Dunkeln ebensowenig sehen wie wir. Also musste er quasi Amok fahren und auf einen Zufallstreffer hoffen, wenn er uns erwischen wollte.
Aber auch wir sahen ihn nicht. Wir hörten ihn nur. Und in der Dunkelheit die Richtung von Geräuschen genau zu bestimmen ist verdammt schwer. Wenn wir nicht Acht gaben, gerieten wir im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder.
Ich befreite mich von den mich umgebenden Kartons, begleitet von einem Knirschen und Schaben. Geräusche, die entstanden, als der Stapler die Spiele zerquetschte und zermalmte.
Mir rann es eiskalt den Rücken hinab. Ich dachte an meine Knochen, denen es ebenso ergehen konnte, wenn ich nicht aufpasste, schnellte hoch, lief einige Schritte, wobei ich die flachen Kartons vor mir herschob, und erreichte die Wand, an der ich mit der Schulter entlangfuhr.
Ich blieb stehen.
Die kleine Lampe hielt ich noch fest. Sie klebte in meiner schweißnassen Hand. Nass waren auch die Haare, die ich mir aus der Stirn wischte.
Von Bill hörte ich nichts.
Dafür von diesem verdammten Stapler. Aber das singende Geräusch der Gummireifen entfernte sich von mir. Es zerknackte auch nichts mehr unter den Rädern. Ein Zeichen, dass Kamikaze ihn zurückgesetzt hatte, um erneut »Anlauf« zu nehmen.
Das plötzliche Knirschen ließ mich zusammenzucken. Etwas polterte hart auf den Boden. Wahrscheinlich hatte Kamikaze mit dem Gabelstapler beim Rückwärtsfahren das mir gegenüberliegende Hochregal gerammt.
Ein flüchtiges Grinsen huschte dabei über meine Lippen. Auch dieser Killer war nicht unfehlbar. Er hatte mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie Bill und ich.
Ich vernahm plötzlich die flüsternde Stimme meines Freundes.
»John, bist du okay?«
»Ja.«
»Ich komme.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, hörte ich schon die schleichenden Schritte des Reporters. Dann stand er neben mir und fasste mich an. »Der hätte mich fast gehabt, du. Ich habe sogar den Luftzug gespürt, als er vorbeiraste.«
Bills Stimme klang kratzig. Noch im Nachhinein erschauerte er.
»Wie lange, meinst du, können wir das hier noch durchhalten?«
»So lange wir müssen.«
»Und der Killer?«
»Den kriegen wir.«
»Ohne Licht?«
»Meine kleine Lampe muss reichen.«
Bill wollte etwas hinzufügen. Ich bat ihn, still zu sein.
So lauerten wir.
Ich hatte mich nicht geirrt.
Der Stapler kam wieder. Das »Singen« der Gummireifen begleitete seine Fahrt. Für uns als Warnung gedacht, dass wir uns wieder trennen mussten. Er sollte uns nicht beide gleichzeitig erwischen.
»Wenn wir ihn in die Zange nehmen könnten, wäre alles klar,« sagte der Reporter zum Schluss. Dann war er verschwunden. Aber er stolperte über irgendwelche Gegenstände, die im Weg lagen oder standen.
Weitere Kostenlose Bücher