Gevatter Tod
verbeugte sich und nahm die Krone von Ysabell entgegen.
»Ihr macht euch lustig über mich«, schnappte Keli.
»Tut mir leid.« Mort unterdrückte ein Gähnen. »Es war ein ziemlich langer und anstrengender Tag.«
»Ich hoffe, ich kriege das richtig hin«, sagte Schneidgut würdevoll. »Ich habe noch nie jemanden gekrönt.«
»Und ich bin noch nie gekrönt worden!«
»Gut.« Schneidgut wirkte erleichtert. »Lernen wir also gemeinsam.« In einer fremden Sprache murmelte er einige feierlich klingende Worte. Eigentlich handelte es sich um einen Zauberspruch, der dazu diente, alte Kleidung von Flöhen zu befreien, aber er dachte: Was soll's? Und dann fügte er in Gedanken hinzu: He, Mann, in dieser Realität bin ich der mächtigste Zauberer aller Zeiten. Davon kann ich noch meinen Enkeln er… Er knirschte mit den Zähnen. Eins stand fest – in der gegenwärtigen Wirklichkeit mußten einige bestimmte Traditionen über den Haufen geworfen werden.
Ysabell nahm neben Mort Platz und griff nach seiner Hand.
»Nun?« fragte sie leise. »Der entscheidende Augenblick ist gekommen. Hast du irgendeine Idee?«
»Nein.«
Die Grenzfläche hatte die Hälfte des Saals durchquert und wurde ein wenig langsamer, als der Widerstand einer ebenso kleinen wie individuellen Realität zunahm.
Mort spürte etwas Warmes und Feuchtes am Ohr. Als er die Hand hob, berührte er Binkys Schnauze.
»Liebes, treues Pferd«, sagte er. »Wie schade, daß mir die Zuckerstücke ausgegangen sind. Du wirst ganz allein nach Hause zurückfinden müssen…«
Er erstarrte plötzlich.
»Wir können alle nach Hause zurück«, fügte er hinzu.
»Ich schätze, das gefiele meinem Vater nicht sehr«, erwiderte Ysabell. Mort schenkte ihr keine Beachtung.
»Schneidgut!«
»Ja?«
»Wir brechen auf. Kommst du mit? Es gibt dich noch immer, wenn diese Realität verschwindet.«
»Zumindest existiert dann noch ein Teil von mir«, murmelte der Zauberer.
»Genau das meinte ich.« Mort schwang sich wieder in den Sattel.
»Aber der andere Teil, der einfach zu verschwinden droht, möchte euch gern begleiten«, fügte Schneidgut hastig hinein.
»Ich bin nach wie vor entschlossen, hier in meinem Königreich zu sterben«, verkündete Keli.
»Wozu du entschlossen bist oder nicht, ist mir völlig schnuppe«, entgegnete Mort. »Ich habe die ganze Scheibenwelt überquert, um dich zu retten, und deshalb wirst du dich gefälligst retten lassen!«
»Aber ich bin die Königin.« In Kelis Stimme ließ sich ein Hauch von Unsicherheit vernehmen. Sie drehte sich zu dem Magier um, der schuldbewußt den Kerzenhalter sinken ließ. »Ich habe gehört, wie du mich geweiht hast! Ich bin doch Königin, oder?«
»O ja«, bestätigte Schneidgut sofort. Und da das Wort eines Zauberers angeblich härter sein soll als geschmiedetes Eisen, fügte er tugendhaft hinzu: »Und außerdem bist du jetzt völlig frei von Ungeziefer.«
»Schneidgut!« rief Mort. Der junge Magier nickte, schlang die Arme um Kelis Taille und hob sie auf Binkys Rücken. Dann raffte er seinen weiten Umhang zusammen, stieg ebenfalls auf und half auch Ysabell in die Höhe. Der Hengst schwankte und taumelte ein wenig, beklagte sich mit einem empörten Schnaufen über die schwere Last, die er tragen mußte. Mort achtete nicht darauf, zwang es in Richtung Tür herum und trieb es an.
Die Grenzfläche folgte ihnen, als sie durch den Saal auf den Hof ritten. Nach einigen Sekunden verklang das Klappern der Hufe, und der Hengst gewann allmählich an Höhe. Das perlmuttene Schimmern versuchte sie einzuholen, streckte graue Fransenfinger nach ihnen aus.
»Entschuldige bitte«, sagte Schneidgut zu Ysabell und zog seinen Hut. »Ignazius Eruptus Schneidgut, Zauberer des ersten Grades, Absolvent der Unsichtbaren Universität, früherer Königlicher Wiedererkenner und vermutlich bald Kandidat für den Galgen. Würdest du mir bitte erklären, wohin wir unterwegs sind?«
»Zum Anwesen meines Vaters!« rief Ysabell, um das Rauschen des Windes zu übertönen.
»Kenne ich ihn?«
»Das bezweifle ich. Eine Begegnung mit ihm hättest du bestimmt nicht vergessen.«
Die obersten Palastzinnen glitten dicht unter Binkys Hufen hinweg. Der Hengst spannte die Muskeln an und flog den Wolken entgegen. Schneidgut lehnte sich wieder zurück und hielt den Hut fest.
»Wer ist der ehrenwerte Herr, von dem wir sprechen?« fragte er.
»Der Tod«, antwortete Ysabell.
»Doch nicht etwa…«
»Genau der.«
»Oh.« Schneidgut starrte nach unten,
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