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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Er kratzte sich am Kinn, und es klang so, als striche jemand mit dem Fingernagel über einen Kamm.
    WER BIST DU, JUNGE?
    »Mort, Herr«, sagte Mort. »Dein Lehrling. Erinnerst du dich?«
    Tod musterte ihn eine Zeitlang, und nach einer Weile strich das blaue Leuchten in den fast leeren Augenhöhlen wieder übers Buch.
    O JA, murmelte er. MORT. NUN, JUNGE, WILLST DU WIRKLICH LERNEN UND DIE TIEFSTEN GEHEIMNISSE VON RAUM UND ZEIT IN ERFAHRUNG BRINGEN?
    »Ja, Herr. Ich glaube schon, Herr.«
    GUT. DER STALL BEFINDET SICH HINTER DEM HAUS, UND DIE SCHAUFEL HÄNGT DIREKT NEBEN DER TÜR.
    Er blickte auf eine pergamentene Seite. Er sah wieder auf. Mort hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
    IST ES VIELLEICHT MÖGLICH, DASS DU MICH NICHT VERSTANDEN HAST?
    »Zumindest nicht ganz, Herr«, erwiderte Mort.
    MIST, JUNGE. MIST. ALBERT HAT EINEN KOMPOSTHAUFEN IM GARTEN. ICH VERMUTE, IRGENDWO STEHT EINE SCHUBKARRE HERUM. MACH DICH AN DIE ARBEIT.
    Mort nickte kummervoll. »Ja, Herr. Jetzt verstehe ich, Herr. Herr?«
    JA?
    »Herr, ich begreife nicht ganz, was das mit den Geheimnissen von Raum und Zeit zu tun hat.«
    Tod blieb auf sein Buch konzentriert.
    KEIN WUNDER, sagte er. SCHLIESSLICH BIST DU HIER, UM ZU LERNEN.
     
    Zwar bezeichnet sich der Tod der Scheibenwelt als ANTHROPOMORPHE PERSONIFIZIERUNG, aber er gab es schon vor einer ganzen Weile auf, traditionelle skelettene Pferde zu benutzen – er wollte nicht ständig damit aufgehalten werden, abgefallene Knochenteile festzubinden. Er zog es vor, bei seiner Arbeit erstklassige Rösser aus Fleisch und Blut zu verwenden.
    Mort stellte bereits nach kurzer Zeit fest, wie gut die Verdauung der Tiere funktionierte.
    Wer sich darüber beklagt, in einer Parfümerie sein Brot verdienen zu müssen, hat noch nie einen Stall betreten. Nun, mit vielen erwerbsmäßigen Tätigkeiten wird die ökonomische Magie des sogenannten Mehrwerts beschworen, während Morts Aufgabe in gewisser Weise aus dem genauen Gegenteil bestand: Er sollte etwas weg schaffen. Der Junge gab sich damit zufrieden, daß er es wenigstens warm hatte, fand bald zu einer mehr – oder, wie in diesem Fall, weniger – angenehmen Routine. Er besann sich auf eine das Gemüt schonenden Gleichmut, und als Ablenkung begann er mit dem üblichen Mengenbewertungsspiel. Mal sehen, dachte er. Inzwischen habe ich fast ein Viertel nach draußen gebracht, ach, sagen wir ruhig ein Drittel. Wenn ich mit dieser Ecke der Heuraufe fertig bin, ist es mehr als die Hälfte, sagen wir fünf Achtel, und das bedeutet, es sind nur noch drei Schubkarren erforderlich… Derartige Überlegungen verringerten die Arbeit natürlich nicht. Sie bewiesen nur eins: Man empfindet die schreckliche Größe des Universums weitaus weniger als Belastung, wenn man den Kosmos in einzelne und möglichst kleine Brocken unterteilt.
    Eins der Pferde beäugte Mort aufmerksam, und ab und zu schnappte es freundschaftlich nach seinem Haar.
    Nach einer Weile spürte der Junge, daß ihn jemand beobachtete. Ysabell lehnte an der niedrigen Tür und stützte das Kinn auf die Hände.
    »Bist du ein Bediensteter?« fragte sie.
    Mort straffte die Schultern.
    »Nein. Ich bin Lehrling.«
    »Das ist doch Unsinn. Albert meint, du kannst gar kein Lehrling sein.«
    Mort begann damit, die Schubkarre zu füllen. Noch zwei Schaufeln, vielleicht auch drei, wenn die Mischung aus Stroh und Dung ordentlich zusammengepreßt wird. Mit anderen Worten: noch vier Schubkarren, vielleicht auch fünf, und dann habe ich die Hälfte…
    Ysabell räusperte sich vernehmlich und hob die Stimme. »Er meint, Lehrlinge werden irgendwann zu Meistern, und es könne nur einen Tod geben. Also bist du nur ein einfacher Angestellter und mußt dich an meine Anweisungen halten.«
    … und dann noch einmal acht Schubkarren, bis zur Tür alles frei ist, womit zwei Drittel des ganzen Stalls ausgemistet wären…
    »Hast du mich verstanden, Junge?«
    Mort nickte. Anschließend sind es noch einmal vierzehn Schubkarren, besser gesagt fünfzehn, denn die Ecke dort ist noch nicht ganz sauber…
    »Bist du plötzlich stumm geworden? Kannst du nicht mehr sprechen?«
    »Mort«, sagte Mort sanft.
    Ysabell musterte ihn verärgert. »Was?«
    »Ich heiße Mort«, sagte Mort. »Beziehungsweise Mortimer. Aber die meisten Leute nennen mich Mort. Wolltest du über irgend etwas mit mir reden?«
    Das Mädchen starrte ihn einige Sekunden lang wortlos an, und sein Blick wanderte zwischen Morts Gesicht und der Schaufel hin und her.
    »Ich bin

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