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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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beauftragt, hier Ordnung zu schaffen, und deshalb habe ich leider keine Zeit«, fügte der Junge hinzu.
    Ysabell platzte geradezu.
    »Warum bist du hier? Warum hat dich Vater mitgebracht?«
    »Er besuchte den Gewerbemarkt in Schafrücken und bot mir eine Ausbildungsstelle an«, sagte Mort. »Alle Jungen fanden Arbeit. Und ich auch.«
    »Und du wolltest eingestellt werden?« entfuhr es Ysabell. »Er ist der Tod. Freund Hein. Der Schnitter. Der Sensenmann, der des Nachts auf Seelenfang geht. Er nimmt eine sehr wichtige Aufgabe wahr. Niemand kann seine Nachfolge antreten. Man wird nicht etwa zum Tod. Man ist es.«
    Sie verstand es ausgezeichnet, in Kursiv zu sprechen.
    Mort deutete mit einer fahrigen Geste auf die Schubkarre.
    »Ich schätze, früher oder später wird alles gut«, sagte er. »Mein Vater meint immer, das Schicksal wolle sich Kummer ersparen, und aus diesem Grund löse sich praktisch alles in Wohlgefallen auf.«
    Er griff nach der Schaufel, drehte sich zum Pferd um und grinste, als er hörte, wie Ysabell abfällig schnaubte und davonmarschierte.
    Mort arbeitete sich tapfer durch die Sechzehntel, Achtel, Viertel und Drittel, schob die Karre immer wieder über den Hof und beobachtete, wie der Haufen am Apfelbaum allmählich größer wurde.
    Tods Garten war groß und gut gepflegt. Natürlich herrschten schwarze Töne vor. Schwarzes Gras wuchs. Schwarze Blumen verströmten Grabesduft. Schwarze Äpfel hingen an den schwarzen Zweigen des schwarzen Apfelbaums. Selbst die Luft wirkte irgendwie tintig.
    Nach einiger Zeit glaubte Mort, verschiedene Arten von Schwarz zu sehen – obwohl ihm das absurd erschien.
    Er bemerkte nicht etwa besonders dunkles Rot oder Grün oder was auch immer, sondern echte Schattierungen von Schwarz. Ein völlig neues Spektrum bot sich ihm dar, mit vielen unterschiedlichen Farben, und sie alle waren… nun, schwarz. Er erweiterte den Komposthaufen mit dem letzten Stallmist, stellte die Schubkarre beiseite und kehrte zum Haus zurück.
    KOMM HEREIN.
    Tod stand hinter einem Pult und betrachtete eine Karte. Nach einigen Sekunden hob er den Kopf und sah Mort geistesabwesend an.
    VERMUTLICH HAST DU NIE VON DER MANTEBUCHT GEHÖRT, ODER? fragte er.
    »Nein, Herr«, bestätigte Mort.
    DORT LIEGT EIN BERÜHMTES WRACK.
    »Ein Schiff? Wann ging es unter?«
    ES MUSS ERST NOCH UNTERGEHEN, erwiderte Tod. ES GIBT NUR EIN PROBLEM: ICH KANN DEN VERDAMMTEN ORT NICHT FINDEN.
    Mort trat näher und warf einen Blick auf die Karte.
    »Willst du das Schiff versenken?« fragte er.
    Tod wirkte entsetzt.
    NATÜRLICH NICHT. ES WIRD EINER MISCHUNG AUS FEHLERHAFTER NAVIGATION, SEICHTEM WASSER UND UNGÜNSTIGEM WIND ZUM OPFER FALLEN.
    »Wie schrecklich!« murmelte Mort. »Wie viele Seeleute ertrinken?«
    DAS HÄNGT GANZ VOM SCHICKSAL AB, sagte Tod, wandte sich zum Bücherschrank um und holte einen dicken Band hervor, der ein alphabetisches Ortsverzeichnis enthielt. SELBST ICH MUSS MICH MIT SEINEN ENTSCHEIDUNGEN ABFINDEN. WAS IST DAS FÜR EIN GERUCH?
    »Er stammt von mir«, sagte Mort schlicht.
    OH. ICH VERSTEHE. DER STALL. Tod zögerte, und seine knöcherne Hand ruhte auf dem Buchrücken. WARUM, GLAUBST DU, HABE ICH DICH MIT DEM AUSMISTEN BEAUFTRAGT? DENK GRÜNDLICH NACH, BEVOR DU ANTWORTEST.
    Mort überlegte. Er hatte gründlich nachgedacht – wenn er nicht gerade die Fuhren mit der Schubkarre zählte. Er fragte sich, ob die Arbeit dazu diente, die Bewegungen der Hände mit der visuellen Wahrnehmung zu koordinieren, oder ob er die Tugend gewohnheitsmäßigen Gehorsams erlernen sollte. Vielleicht beabsichtigte Tod auch, ihn auf die allgemeine Bedeutung eigentlich banaler Tätigkeiten hinzuweisen und Demut in ihm zu wecken. Möglicherweise sollte ihm klarwerden, daß man ganz unten anfangen mußte, wenn man es zu etwas bringen wollte.
    Keine dieser Erklärungen befriedigte ihn.
    »Ich glaube…«, begann er.
    JA?
    »Nun, ich glaube, ich mußte im Stall arbeiten, weil du knietief in Pferdescheiße gestanden hast.«
    Tod musterte ihn eine Zeitlang, und Mort trat unruhig von einem Bein aufs andere.
    ABSOLUT RICHTIG, erwiderte Tod. DU BIST NICHT NUR AUFMERKSAM, SONDERN BESITZT AUCH EINEN GUTEN SINN FÜR DIE REALITÄT. AUSGEZEICHNETE VORAUSSETZUNGEN FÜR UNSEREN JOB.
    »Ja, Herr. Herr?«
    HMM? Tod schlug das Buch auf und sah im Verzeichnis nach. Sein weißer Zeigefinger strich mit einem leisen Kratzen über altes Papier.
    »Es sterben dauernd Menschen, nicht wahr? Millionen. Du bist sicher sehr beschäftigt. Aber…«
    Tod

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