Gewagt - Gewonnen
überwinden sie auf dem besten Wege war.
„Daß Sie nicht selber Tierärztin geworden sind?“
„Ich habe nicht den Kopf dazu“, sagte Astrid ruhig. „Bin mehr praktisch begabt, wie man so schön von jemand sagt, der unterbegabt ist.“
„Dummes Zeug!“ sagte Mostvedt. „Wo haben Sie denn diese Zwangsvorstellungen her? Sie haben in der kurzen Zeit, die Sie bei mir sind, unglaublich schnell und viel gelernt.“
„Ja. Rein praktische Dinge“, sagte Astrid. „Wenn ich meine Hände statt des Kopfes gebrauchen kann, pflegt es ganz gutzugehen.“
„Jetzt reden Sie Unsinn!“ sagte Mostvedt kurz und bestimmt.
„Ich…“, begann Astrid.
„Es ist wohl richtig, daß Sie Ihre Hände zu gebrauchen wissen, aber – Sie zwingen mich geradezu, sentimental zu werden – , aber Sie gebrauchen nicht nur die Hände: Sie gebrauchen Ihr Herz noch mehr.“
Seine Stimme hatte einen warmen Unterton, den Astrid wohl vernahm. Sie schloß eine Sekunde die Augen. Sie war unsagbar, unendlich glücklich.
Mostvedt aber fuhr im munteren Plauderton fort:
„Sie werden übrigens einen schönen Besitz zu sehen bekommen. Ich bin schon mehrere Male bei Gutsbesitzer Harder gewesen und habe nach seinen Kühen gesehen. Er hat aber auch einen prachtvollen Bestand an Federvieh, Gänsen und Truthühnern. Und jetzt hat sich also seine Tochter auch noch eine Kaninchenzucht zugelegt.“
„Kennen Sie Fräulein Harder auch?“
„Nein. Sie war im Ausland, als ich draußen war. Aber wenn sie nach ihrem Vater geartet ist, muß sie recht tüchtig sein. Ein komischer Einfall übrigens, eine Kaninchenfarm einzurichten.“
„Das kann ich eigentlich nicht finden.“
„Ja, Sie! Ich glaube, Sie würden es fertigbekommen, es einmal mit der Züchtung von Ratten zu versuchen.“
„Tja… wenn das einen Sinn haben würde. Auf jeden Fall habe ich vor Ratten keine Angst.“
„Wovor haben Sie eigentlich Angst?“ fragte Mostvedt lächelnd und blickte sie kurz von der Seite an.
Sie blickte unverwandt vor sich hin und schwieg so lange, daß Mostvedt schon glaubte, sie habe seine Frage überhört. Dann sagte sie plötzlich leise und stockend: „Vor… Menschen… glaube ich…“
Astrid besah sich Guttorm Ospedals Silberfuchsfarm mit dem größten Interesse. Sie ging von Käfig zu Käfig und hatte an den gepflegten Tieren mit ihren schimmernden Fellen viel Freude.
Es ergab sich ganz von selbst, daß sie Mostvedt beim Kapseln assistierte.
„Aber hören Sie!“ sagte Mostvedt. „Ich verbiete Ihnen hiermit auf das nachdrücklichste, daß Sie sich den Tieren nähern, solange ich sie nicht in der Zange habe. Hier gibt es kein Hinter-dem-Ohr-Kraulen und kein Gib-mal-Pfötchen! Haben Sie mich verstanden?“
Astrid bewunderte Mostvedts sichere, flinke Arbeit. Mit geübten Händen schloß er die Zange um den Nacken des Fuchses. Dann mußte Astrid das Tier halten, während Mostvedt die Maulsperre anbrachte und die Kapsel einführte. Es ging alles sehr schnell, und Astrid muckte nicht, wenn sie gelegentlich einen Tritt oder einen Kratzer erhielt.
„Es ist eigentlich eine Schande, daß ich das nicht allein machen kann“, sagte Guttorm Ospedal. „Die Sache ging einmal schief, und da habe ich den Mut verloren. Wie schnell Sie übrigens damit fertig geworden sind!“
„Ist das ein Wunder, wenn man eine so tüchtige Assistentin hat?“ erwiderte Mostvedt lächelnd. „Sie haben übrigens einen schönen Bestand, Herr Ospedal, und die Tiere machen einen vortrefflichen Eindruck.“
„Ich habe mich auch nicht wenig mit ihnen abgeplagt“, sagte Ospedal, über das Lob erfreut. „Natürlich habe ich auch Glück gehabt, und die Mühe hat sich gelohnt. Ich habe ganz hübsche Preise für die Felle erzielt.“
Er dankte Mostvedt und seiner „Assistentin“ und begleitete sie zu ihrem Wagen.
Die Fahrt ging weiter.
„Nun kommen die Kaninchen dran“, sagte Mostvedt.
„Darf ich die wenigstens hinter dem Ohr kraulen und mitihnen ein paar Worte sprechen?“ fragte Astrid lachend.
„Wenn Sie glauben, daß die Kaninchen Wert darauf legen? Übrigens ist es noch nicht ausgemacht, daß ich es Ihnen erlauben kann. Denn wenn es sich tatsächlich um Kaninchenpest handelt, muß ich es mir sehr energisch verbitten, daß Sie mit Ihrem Hinter-dem-Ohr-Kraulen zu einem Bazillenträger werden.“
Sie fuhren durch ein großes und solides eisernes Tor. Der Weg führte in einem Bogen an gepflegten Rasenflächen vorbei zum Wohngebäude, einem alten, langen und niedrigen
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