Gewagt - Gewonnen
Eingang zu einer Trimmanstalt bellte, war ja nur logisch und ereignete sich jeden Tag.
Dieses Gebell aber klang in Astrids Ohren wie Musik. So munter bellte nur ein einziger Hund in der Stadt: der entzückendste, süßeste, drolligste kleine Hund von der Welt.
Da ging die Tür auf, und wie aus einer Kanone geschossen flog Timian auf sie los. Er leckte und bellte, er war unbändiger denn je. Als er seine grenzenlose Freude über das Wiedersehen mit Astrid so einigermaßen ausgetobt hatte, schnappte er sich ein Wochenblatt, das auf dem Tisch lag, raste wie ein Besessener in der Trimm Werkstatt herum und schüttelte das Blatt dermaßen, daß die losen Seiten nur so flogen.
„Timian!“ rief Jörgen.
„Laß ihn nur spielen!“ sagte Astrid. Und das hätte sie sicherlich auch gesagt, wenn Timian ihren neuen, unverschämt teuren Hut zwischen den Zähnen gehabt hätte.
„Nett, daß du kommst, Jörgen. Wie geht es?“
Astrids Stimme klang ganz ruhig. Sie wunderte sich selbst darüber. Hatte ihr Herz nicht so stürmisch geklopft, als sie am Telefon gestanden hatte?
„Gut. Danke. – Ich bin vorbeigekommen, weil… hast du die Osloer Zeitung von gestern gesehen?“
„Nein…“
„Du hast doch die Riesenschnauzer für Heier getrimmt?“
„Ja…?“
„Beide erste Preise. Der eine außerdem Ehrendiplom. Gratuliere!“
„Wirklich?“
„Warte! Es kommt noch mehr. Der schottische Schäferhund, Besitzerin Frau Regstad – den hast du doch auch getrimmt?“
„Und ob! Du hast ja selbst zugesehen, als ich ihn in der Arbeit hatte!“
„Der hat in seiner Klasse gewonnen. Erster Preis – oder war es Ehrenprämie…? Warte… ich habe die Liste mit den Prämiierungen ausgeschnitten. Ja – hier ist sie…“
Jörgen zog seine Brieftasche hervor. Astrid betrachtete ihn still. Wie schön sein junges, ernstes Gesicht war! Und seine Hände, diese starken, schlanken, feinfühligen Hände… Astrid schloß eine Sekunde die Augen. Sie erinnerte sich plötzlich deutlich, fast schmerzhaft deutlich daran, wie diese Hände über Wangen und Haar streichen konnten.
Wo Timian zugegen war, blieb nie viel Zeit für sentimentale Anwandlungen. Er war so ausgelassen wie nur je. Das Wochenblatt, mit dem er sich versehen hatte, interessierte ihn nicht länger. Jetzt machte er eine Attacke auf den Trimmtisch, und es glückte ihm, Astrids neueste und feinste Nylon-Hundebürste herunterzureißen.
„Höre, Timian!“ sagte Astrid. „Ich gönne dir alles, was schön und gut ist, aber alles hat seine Grenzen.“ Sie entriß ihm die Bürste. Timian stand den Bruchteil einer Sekunde still, während seine munteren, schelmischen Augen nach neuen Möglichkeiten Ausschau hielten. Unversehens war er mit einem mächtigen Satz bei seinem Herrn und Meister und riß ihm respektlos die Brieftasche aus der Hand.
„Timian!“ sagte Jörgen streng.
Timian schnurrte wie ein Kreisel herum und schüttelte die Brieftasche, als wäre sie eine Ratte. Papiere und Banknoten – diese in der Minderzahl – flogen durch die Luft.
Im nächsten Augenblick krochen Jörgen und Astrid auf dem Fußboden herum und suchten den Inhalt der Brieftasche zusammen.
Astrid nahm ein mehrfach zusammengefaltetes Blatt Papier auf. Da fiel etwas heraus, etwas, das ihr bekannt vorkam! Es war eine Karte mit ihrer eigenen Schrift. Und ein sehr kleines Bild.
Jörgen streckte die Hand nach der Karte aus, aber zu spät. Astrid hatte gesehen, was für eine Karte es war, und sie hatte auch bemerkt, daß das kleine Bild, das Jörgen schnell aufnahm, eine Amateuraufnahme von ihr selbst war. Sie hatte in dem Album gelegen, das Hein vor ewigen Zeiten geholt hatte, um Jörgen ein paar Sportbilder zu zeigen.
Astrid hockte noch immer auf dem Fußboden. Ihr unmittelbar gegenüber kniete Jörgen. Er nahm gerade das mehrfach zusammengefaltete Blatt Papier auf, das die Karte und das Bild enthalten hatte.
Astrid nahm seine Hand und drehte sie so weit herum, daß sie das Papier sehen konnte. Es war das Programm von dem Theaterabend, den sie zusammen besucht hatten.
Astrid vergaß ganz, sich aufzurichten. Ihre Augen begegneten denen Jörgens, und er sah, daß sie strahlten.
„Jörgen…“, sagte sie leise.
Er war feuerrot.
„Ja, Astrid?“
„Jörgen, du hast ja das Programm…“
„Ja, Astrid… du darfst über mich lachen… ich gebe ja zu, daß ich ein sentimentaler Tropf bin…“
„Jörgen…“
„Ich weiß, daß es unmöglich… es tut mir nur leid…“ Da geschah
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