Gewagt - Gewonnen
gewesen.
Plötzlich spürte Astrid in ihrem Innern einen Schmerz. Als sie aufbrachen, fragte Gerda, was sie mit den Kaninchen machen solle.
„Nichts“, antwortete Mostvedt. „Pflegen Sie sie wie immer, und beobachten Sie sie genau. Sollte ein Tier anfangen zu kränkeln, dann isolieren Sie es sofort. Ich werde in einer Woche wieder herauskommen. Es wäre betrüblich, wenn Ihre schöne Kaninchenfarm von einer Krankheit heimgesucht werden sollte.“
„Sie müssen wieder mit herauskommen, Fräulein Liberg“, meinte Harder. „Vielleicht assistieren Sie immer bei den Krankenbesuchen?“
„Nein“, sagte Astrid. „Das ist heute eine Ausnahme.“
„Sollte man es glauben?“ antwortete Harder und schüttelte den Kopf. „Sie verstehen es aber schlecht, Ihre Chancen wahrzunehmen, Herr Mostvedt! Wenn man eine so reizende Assistentin hat, dann sollte man dafür sorgen, daß man stets ihrer Hilfe bedarf.“ Er lachte gutmütig. „Es war nett, Sie kennenzulernen, Fräulein Liberg. – Kommen Sie recht bald wieder… Sie auch, Herr Mostvedt…“
Es war schon fast dunkel, als sie sich auf den Heimweg machten. Sie mußten die Scheinwerfer einschalten.
„Was meinen Sie?“ sagte Mostvedt nach einer Weile. „Hätten Sie wohl Lust, öfter einmal mitzukommen, wenn ich meine Krankenbesuche mache? Es war für mich äußerst angenehm, daß Sie bei den Silberfüchsen halfen. Ich habe schon manches Mal gewünscht, ich hätte jemand, der mir assistierte. Selbstverständlich würde ich Ihr Gehalt erhöhen…“
„Aber nein“, erwiderte Astrid. „Eine Gehaltserhöhung verlange ich nicht. Es macht mir doch ein riesiges Vergnügen, Sie bei Ihren Krankenbesuchen zu begleiten!“
„Fein!“ sagte Mostvedt. Und dann schwieg er wieder eine Weile, da er seine ganze Aufmerksamkeit auf den Weg richten mußte. Plötzlich aber lachte er laut auf.
„Es ist schrecklich, kleines Fräulein Liberg. Sie bringen mich ja so weit, daß ich schließlich gar nicht mehr ohne Sie auskommen kann!“
Astrid schloß die Augen. Sie saß ganz still. Sie mußte seinen Worten Zeit lassen, sie zu durchdringen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie etwas sagte.
„Ich kann das nicht recht verstehen. – Wenn ich eine Dame wie Fräulein Harder sehe, dann komme ich mir so… so dumm vor… und so schwach… und… ich könnte nie ein Kaninchen schlachten…“
Mostvedt lachte.
„Nein – Gott sei Dank nicht! – hätte ich beinahe gesagt. Sie können doch genug andere Dinge! Ja, Fräulein Harder ist tüchtig, das ist sicher, und geradezu und vernünftig…“
„Und… schön“, fiel Astrid ein.
„Schön? - Ja, auch schön… aber doch… Eine Frau sollte doch auch etwas… ja… etwas Frau sein!“
Wieder langes Schweigen.
„Ich freue mich auf das nächste Mal“, sagte Astrid. „Das heißt natürlich, wenn Sie mich wieder mithaben wollen…“
„Mithaben wollen?“ wiederholte Mostvedt. „Wissen Sie, was Ihr größter Fehler ist, Fräulein Liberg? Sie sind so bescheiden, daß man wahrhaftig Lust bekommen könnte, Sie hin und wieder einmal tüchtig zu schütteln. Schaffen Sie sich nur eine ganze Kleinigkeit Selbstvertrauen an! Denn das können Sie gut gebrauchen. Und Sie haben wirklich Grund genug, es zu hegen!“
„Ich? Selbstvertrauen? Ich, die ich…“
„Ja, Sie, die Sie… Füllen Sie ihren Platz nicht auf eine schlechthin vollkommene Weise aus?“
Sie hatten die Stadt mit ihren hell beleuchteten Straßen erreicht. In wenigen Minuten würden sie zu Hause sein.
„Es war ein wunderschöner Nachmittag und Abend“, sagte Astrid leise.
„Ja, nicht wahr? Das finde ich auch. – Und nun wären wir angelangt.“
Astrid reichte ihm die Hand.
„Herzlichen Dank für den heutigen Tag!“
„Nicht Sie – ich habe zu danken!“
Er drückte ihr die Hand. Dann ließ er auch mit der linken Hand das Lenkrad los und strich ihr leicht über die Wange. „Sie sind ein famoses Mädchen, Fräulein Astrid. Gute Nacht!“
„Gute Nacht…“ Astrid flüsterte den Gutenachtgruß so leise, daß Mostvedt ihn kaum hörte.
Um seinen Mund zog ein schwaches Lächeln, als er den Wagen wieder startete und nach Hause fuhr.
Wenn schon – denn schon
Es war ein klarer, kühler Herbstnachmittag, als sie wieder zu Harder fuhren.
Astrid trug ein neues Kostüm und kam sich sehr elegant vor. Die Mutter war wirklich lieb. Eigentlich hatte Astrid sich jetzt, wo sie selbst genügend verdiente, für ihr eigenes Geld ein Kostüm kaufen wollen. Aber
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