Gewagt - Gewonnen
sich?“
Pause.
„Haben Sie Würmer nachweisen können, oder wollen Sie nur Vorbeugungsmaßnahmen treffen?“
Wieder Pause. Astrid notierte.
„Ich werde es ausrichten. Wahrscheinlich morgen nachmittag. Auf Wiederhören.“
Ein Mann mit einem Schäferhund trat ins Wartezimmer und fragte nach dem Tierarzt. Astrid nahm eine neue Karte und notierte den Namen und die Adresse des Besitzers sowie den Namen, das Geschlecht, die Rasse und das Alter des Hundes. Die Ausfüllung der Rubrik „Diagnose“ blieb dem Tierarzt überlassen.
„Bitte!“
Die Karte wurde auf Mostvedts Tisch gelegt, und Astrid glitt beinahe lautlos aus dem Sprechzimmer. Sie hoffte immer im stillen, daß sie assistieren dürfe. Denn wenn sie die reine Büroarbeit auch gern verrichtete, so war doch der Kontakt mit den lebendigen Tieren der interessanteste Teil ihrer Tätigkeit.
Sie hatte schnell die verschiedenen Instrumente kennengelernt und war stets bemüht, medizinische Ausdrücke aufzufassen und soviel wie nur irgend möglich zu lernen.
„Fräulein Liberg!“
Wie schön! Sie sollte assistieren.
Mostvedt lächelte, als sie eintrat.
„Wäre es nicht eine reizvolle Aufgabe für Sie, diesen Burschen hier auf den Tisch zu bekommen, ohne daß wir Gewalt anwenden müssen?“
„Sehen Sie sich vor!“ warnte der Besitzer des Tieres. „Er ist Fremden gegenüber sehr mißtrauisch.“
Astrid tat, was sie stets zu tun pflegte: Sie streckte dem Hund ihre Hand hin und ließ ihn schnuppern. Er blickte sie argwöhnisch von der Seite an und knurrte leise. Aber sie zog ihre Hand nicht zurück.
„Nun denn, Pascha!“ sagte Astrid. Ihre Stimme war ruhig und freundlich. Und sie redete mit dem Hund, sie streichelte ihn und ließ sich Zeit. Mostvedt ließ sie gewähren. Seine Arbeit wurde bedeutend erleichtert, wenn es Astrid gelang, die Tiere zu beruhigen. Die Minuten, die sie dazu benötigte, waren gut angewandt.
Es dauerte denn auch nicht lange, so hatte sie den Hund am Untersuchungstisch.
Sie schlug mit der Hand leicht auf den Tisch: „Hopp, Pascha!“ Der Rüde blickte sie unschlüssig an.
„Zeig einmal, wie tüchtig du bist!“ sagte Astrid. „Hopp!“
Ihre Stimme war ebenso ruhig wie zuvor; aber das hellhörige Tierohr spürte doch, daß es sich hier um ein, wenn auch nur schwach angedeutetes, Kommando handelte. Und im nächsten Augenblick stand der Hund auf dem Tisch.
Jetzt hatte sie die Herrschaft über ihn erlangt. Sie konnte ihn leicht dazu bringen, daß er sich hinlegte, und dann folgte das rein Routinemäßige: das Festspannen mit den breiten, weichen Riemen.
„Das muß sein, du“, sagte Astrid. „Habe keine Angst!“
„Glauben Sie etwa, die Tiere verstehen, was Sie ihnen da alles erzählen?“ hatte Mostvedt eines Tages gefragt.
„O nein“, hatte Astrid lachend geantwortet. „Ganz so dumm bin ich denn doch nicht. Es kommt auf den Klang der Stimme an, und etwas muß ich ja sagen. Ich könnte auch das Einmaleins dazu verwenden. Nur fürchte ich, es dürfte schwerfallen, dabei den richtigen Ton zu finden.“
Astrid sah Mostvedt gern arbeiten. Er verstand es selber recht gut, mit Tieren umzugehen. Er war ruhig, freundlich und, wenn es sein mußte, bestimmt. Aber es fehlte ihm doch jenes gewisse Etwas, das den Tieren unbegrenztes Vertrauen einflößt und das Astrid in so hohem Maße besaß.
„Narkose“, sagte Mostvedt.
Astrid holte die Maske und das sonstige Zubehör und arbeitete nach den ständigen Anweisungen, die der Tierarzt ihr erteilte. Sie begriff schnell, und alles ging ihr flott von der Hand. Es handelte sich um einen schweren Abszeß, und Mostvedt mußte mit dem Messer ziemlich tief gehen.
Sowohl Blut wie auch Eiter spritzten auf Astrids fleckenlosen weißen Kittel, aber sie verzog keine Miene.
Das Telefon läutete im Wartezimmer.
„Lassen Sie es sich austoben“, sagte Mostvedt nur. Und Astrid reichte ihm die Instrumente, während sie gleichzeitig das betäubte Tier im Auge behielt.
Der Hund war noch ganz benommen, als der Verband angelegt und die Riemen gelöst waren. Nach und nach kam er zwar so einigermaßen zu sich, aber er war ziemlich unsicher auf den Beinen, als er die Treppe hinunterging, um im Auto nach Hause gefahren zu werden.
Astrid räumte auf, wusch den Tisch ab, legte die Instrumente in den Kocher, holte für Mostvedt und sich selbst einen reinen Kittel. Sogar ihre weiße Haube war von den Blutspritzern nicht ganz verschont geblieben. Sie nahm ein reines weißes Tuch und band es um ihr
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