Gewalt ist eine Loesung
Vermutlich saßen sie gerade mit ihrer Tochter beim Kaffee. Was würde ich meiner Freundin, ihrer Mutter und ihrem Vater antun, wenn sie plötzlich von einer Hausdurchsuchung überrascht werden?
Ich zog den Kriminalbeamten zur Seite und schilderte ihm mein Dilemma. »Was ist mit dem blauen Hawaii-Hemd?«, hakte er nach. »Sie können es haben«, sagte ich, ohne zu zögern. Wohl wissend, dass ich damit meine Tatbeteiligung in der fraglichen Nacht gestanden hatte. Ich musste diese Durchsuchung im Beisein meiner Freundin und ihrer Eltern unbedingt verhindern. Er nickte mir wohlwollend zu. »Herr Schubert, ich ermittle nicht gerne gegen Kollegen. Aber Sie können sich sicher vorstellen, welchen Druck ich von ganz oben habe. Ich brauche Ergebnisse. Was ist mit Fotos?« Ich musste ihn erneut anlügen: »Keine Fotos. Ich habe keine Fotos.« Seine Augen musterten mich durchdringend. Er machte eine längere Pause: »Gut, ich spreche mit der Staatsanwaltschaft.«
Etwa fünf Minuten später kam er zurück. »Ich habe der Staatsanwältin Ihr Problem mit dem Kaffeekränzchen geschildert. Sie ist einverstanden. Wir nehmen wegen der Nachbarn einen Zivilwagen. Sie geben mir das Hawaii-Hemd und ich fahre wieder. Das Durchsuchungskommando bleibt hier im Präsidium.« Ich schaute ihn erleichtert an und streckte ihm meine Hand hin. Er nickte mir väterlich zu. »Aber zuvor brauchen wir die Fingerabdrücke und die Fotos für unsere Kartei. Dabei bleibt es.«
Die Abnahme meiner Fingerabdrücke war demütigend. Der Fotograf machte seine drei Verbrecherfotos mit vorstehenden Aktenzeichen und dann fuhren wir zu meiner Wohnung. Die Eltern meiner Freundin wussten, weshalb ich ins Polizeipräsidium geladen war. Ich denke, sie waren von meiner Hooligan-Leidenschaft nicht gerade begeistert, aber sie sahen auch, dass ich ihre Tochter gut behandelte und sie glücklich machte. Der Kriminalbeamte an meiner Seite grüßte freundlich und verließ nach wenigen Minuten die Wohnung mit der blauen Kapuzenjacke als Beweisstück in seiner Hand.
Mein Verteidiger sprach Klartext. Die Beweislage war erdrückend. Die drei Jungs, mit denen ich an jenem Abend unterwegs war, wurden dem harten Kern der Blue Army zugerechnet, sie waren vorbestraft oder saßen aktuell gerade eine Haftstrafe ab. Die Krankenakte meines »Cobra«-Kontrahenten war ein Debakel und dann konfrontierte er mich auch noch mit einer Aussage aus der Ermittlungsakte, die mich vollständig erledigen würde.
Der damals von mir schwer verletzte Polizist hatte zu Protokoll gegeben, dass ich während dieser Schlägerei, also während ich ihn mehrfach verletzte, gegrinst und gelächelt hätte. Mein Anwalt wurde laut: »Wissen Sie, wie sich das vor Gericht anhört? Wissen Sie, wie die mit einem Täter umgehen, der grinst, wenn er einen Menschen verprügelt?« Er machte eine Pause und ich starrte ihn ungläubig an. »Leute, die Spaß an der Gewalt haben, stecken die, ohne zu zögern, in eine psychiatrische Anstalt!«
Ich erinnerte mich genau. Das Grinsen in meinem Gesicht hatte damals meine Genugtuung beschrieben, einen mir körperlich deutlich überlegenen Gegner besiegt zu haben. Ein Grinsen, das nicht aufzuhalten war. Ein Grinsen, gesteuert durch die Unmengen von Adrenalin und Endorphinen in meinem Körper. Und das Grinsen, einen Gegner im Skinhead-Look mit kurzrasierten Haaren und schweren Springerstiefeln kleingemacht zu haben. Aber wer würde hierfür schon Verständnis aufbringen können?
Mein Rechtsanwalt verdeutlichte mir meine Gesamtsituation. Mit dieser Aussage konfrontiert, standen meine Chancen äußerst schlecht, die Sache einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Wir könnten das Verfahren in die Länge ziehen und das Gericht mit Anträgen überschütten, legte er mir dar – aber ändern würde das nichts. Ich müsste mit einer harten Strafe und selbstverständlich auch mit den schärfsten Disziplinarmaßnahmen rechnen. Es sei denn, ich könnte mich dazu entschließen, den Polizeidienst freiwillig zu quittieren. In diesem Fall würde er versuchen, mit der Staatsanwaltschaft einen Deal auszuhandeln: meine Kündigung gegen die Einstellung beider Verfahren zuzüglich einer angemessenen Geldbuße. Dazu würde er mir raten und mehr könne ich in Anbetracht der Aktenlage auch nicht erwarten.
Ich bat mir noch etwas Zeit aus, um über seinen Vorschlag nachzudenken. Währenddessen nahm der Polizeipräsident die zweite Strafanzeige zum Anlass, mich noch mal innerhalb der Polizei zu
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